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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Rosemann
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führte sie an den nächststehenden. Jolanthe sah interessiert
zu, wie die Gehilfin an dem Gerät hantierte. Mit den Füßen trat sie auf hölzerne
Pedale, während ihre Hände so flink ein Schiffchen mit dem Querfaden hin und her
bewegten, dass sie kaum folgen konnte. Zwischen Holzstreben waren etliche Fäden
gespannt über eine kompliziert aussehende Konstruktion, die über Winden an der Decke
befestigt war. Neben dem Webstuhl lagen in einer Kiste Knäuel mit ungefärbtem Garn.
Staub lag in der Luft sowie das gleichmäßige Knarzen der Pedale.
    »Wollt Ihr
einen Versuch wagen?«, fragte der Weber und sah sie an.
    »Nichts
lieber als das«, antwortete Jolanthe und setzte sich neben die Frau, die in ihrer
Arbeit innehielt, ein Stück auf der Bank für sie Platz machte und ihr das Schiffchen
gab. Doch schon bald hatte Jolanthe sich in den Querfäden so verheddert, dass sie
es aufgab. Sie strich mit dem Finger über das bereits fertige Gewebe und sagte:
»Ihr beeindruckt mich. Das ist wirklich sehr lehrreich.« Sie blickte zu Vico und
schenkte ihm ein Lächeln. Er erwiderte es.
    Im Hinausgehen
fragte sie Vico: »Warum handeln wir nur mit ungefärbtem oder gebleichtem Tuch? Ich
habe auf dem Markt so wundervoll farbenprächtige Stoffe gesehen.«
    »Dein Vater
lehnt das ab. Er will nur mit den Webern aus dem Umland zusammenarbeiten.«
    »Weil sie
billiger sind. Aber sie lassen die Stoffe nicht färben, dieser hier schon.«
    »Ich wäre
einverstanden mit einer diesbezüglichen geschäftlichen Veränderung.«
    »Hast du
mich deshalb hierher gebracht? Weil du Verstärkung gegen meinen Vater brauchst bezüglich
des Handels mit Ulmer Tuch?« Er zwinkerte nur, antwortete aber nicht. »Wir könnten
die Stoffe auch selbst färben lassen.«
    Er zuckte
mit den Schultern. »Zu viel Aufwand. Warum nicht gleicht dort kaufen, wo es das
fertige Produkt gibt?«
    Als sie
wieder auf dem Rückweg waren, blieb Vico an einer Abzweigung stehen, die hin zum
Marktplatz führte.
    »Du findest
den Weg nach Hause von hier aus, oder?«, fragte er und rückte seine Kappe zurecht.
    »Du kommst
nicht mit?« Jolanthe hielt ihr Gesicht in die Frühlingssonne und atmete tief, um
den Staub der Werkstatt aus ihrem Körper zu bekommen.
    »Ich muss
mit Cornelius reden. Er ist im Handelshaus. Es gibt noch einiges zu tun heute.«
    »Dann komme
ich mit.« Sie hakte sich bei Vico unter und spürte seinen Widerstand. Aber sie wollte
sein Zögern nicht beachten und zog ihn einfach mit sich, in der Hoffnung, sie habe
es sich nur eingebildet. Zu sehr gefiel ihr die neue Rolle, bei der sie um Rat gefragt
wurde.
     
    Pascal verabschiedete sich mit einem
Schulterklopfen von Mathies, mit dem er soeben über eine Beteiligung an einem Handelszug
der Ravensburger Handelsgesellschaft gesprochen hatte. Die Spitzen seiner Schnabelschuhe
wippten, als sein Freund sich beschwingten Schrittes entfernte. Pascal strich sich
über das Kinn, um dann mit dem Zeigefinger nachdenklich auf seine Lippen zu klopfen.
Verlockend war es, das Angebot von Mathies.
    Die Alpenpässe
konnte man nach einem rauen Winter wieder passieren, und Mathies hatte davon gehört,
dass die Ravensburger sich auf eine Reise nach Italien vorbereiteten. Pascal hatte
sich Bedenkzeit ausgebeten. Ein paar Ballen Seide aus Venedig konnte er gut gebrauchen,
aber die Sache war lukrativer, wenn er im Gegenzug etwas lieferte, was er unten
zu einem guten Preis losschlagen konnte. Dafür allerdings hatte er im Moment nicht
die nötigen Mittel. Im Übrigen hatte er noch nie gänzlich fremden Kaufleuten vertraut.
Er würde also jemanden vom Kontor aus Paris mitschicken müssen, denn er selbst war
unabkömmlich. Auch wenn es letztlich günstig gewesen wäre, wenn er sich dem Zug
angeschlossen hätte. »Sie haben gute Konditionen, die Ravensburger«, hatte Mathies
ihm versichert. Er würde seinen Vater informieren müssen. Dann konnten sie weitersehen.
    Als Pascal
das Handelshaus betrat, schlugen ihm die aufgeregten Stimmen der Kaufleute entgegen.
Ein vielstimmiges Gelächter erklang, das übertönt wurde vom Geschrei eines Mannes,
der sich offenbar geprellt fühlte. Pascal schlenderte durch die Gänge zwischen den
abgetrennten Lagerplätzen der Tuchkaufleute. Er hätte nicht sagen können, ob er
bewusst den Weg zu Winald Kuns Verschlag genommen hatte, und sah schon von Weitem
Jolanthes Gestalt in bauschigen Röcken, den Kopf hoch erhoben und die Hände in die
Hüften gestemmt, sodass sich ihre Schultern nach oben zogen. Ihre

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