Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Haltung drückte
Anspannung aus. Jolanthe gegenüber hatten sich Vico und Cornelius aufgebaut, der
eine schien verärgert, der andere hatte sich halb gedreht und blickte zu den Barchentballen
im Lager hinter sich, so als wolle er nachzählen, wie viele dort vorhanden waren,
um so dem Zorn Jolanthes zu entgehen.
Pascal konnte
nicht verstehen, worüber sie stritten, und wollte nicht näher herangehen. Ich werde
sie abpassen, dachte er und nahm sich vor, dieses Mal mehr von ihr zu erfahren.
Nicht so wie bei ihrer vorletzten Begegnung, bei der er mit dem Gefühl zurückblieb,
ihr vieles über sich erzählt zu haben und im Gegenzug so gar nichts von ihr in Erfahrung
gebracht zu haben. Dabei war er darauf angewiesen, dass sie ihm so viel wie möglich
mitteilte. Normalerweise fiel es ihm auch nicht schwer, die Menschen zum Reden zu
bringen.
»Dieses
Mal nicht, ah so. Wann dann?« Er hörte, wie Jolanthes Stimme die Einwände Vicos
übertönte. Unvermittelt drehte sie sich weg und lief in Pascals Richtung. Einen
Mann, der ihr versehentlich in die Quere kam, schob sie mit dem Arm beiseite und
erntete einen verwunderten Blick. Pascal tat zwei rasche Schritte und stellte sich
ihr in den Weg. Damit sie nicht, den Blick zu Boden gerichtet, dennoch an ihm vorbeirauschte,
ohne ihn wahrzunehmen, griff er nach ihren Schultern und hielt sie fest. Mit einem
Schnaufen blieb sie stehen. Nun musste sie ihn ansehen. Eine Zornesfalte hatte sich
zwischen den Augenbrauen eingegraben, ihre Mundwinkel zeigten nach unten, sie wand
sich unter seinem Griff, aber er ließ sie nicht los, bis ein kleines Lächeln den
Ärger aus ihrem Gesicht vertrieb.
»Nicht so
stürmisch«, sagte er. Endlich stand sie still. Er hätte seine Hände von ihren Schultern
nehmen können, aber er wollte es nicht. Stattdessen zog er sie ein unmerkliches
Stück weiter zu sich heran.
»Ich weiß,
ein Kaufmann ist ein schlechter Kaufmann, wenn er die Ruhe nicht behält.« In ihrer
Stimme mischte sich Enttäuschung unter den Ärger, den er immer noch deutlich herauszuhören
glaubte.
Pascal warf
ein Blick über ihre Schulter und sah, dass Vico sie beobachtete.
»Lasst uns
draußen weiterreden«, sagte er und gab sie nun doch frei. »Es ist stickig hier drinnen.«
Sie folgte
ihm, blieb am Fischkasten stehen, strich sich die zerzausten Haare aus dem Gesicht
und tunkte ihre Hände in das Wasser, das eiskalt sein musste. Ihr schien es nichts
auszumachen. Pascal lehnte sich neben sie und schwieg. Er spürte, dass die Gelegenheit
günstig und Jolanthe zu aufgewühlt war, um lange schweigen zu können.
Hier draußen
hatten sie leidlich ihre Ruhe. Der Fischmarkt fand nur zweimal in der Woche statt,
und so war auch der Fischkasten heute nur mit klarem Wasser gefüllt.
»Ihr haltet
mich bestimmt für zu ungeduldig.« Jolanthe zog ihre Hände aus dem Wasser, sodass
es leise plätscherte. Die Tropfen perlten ab, kurz hielt sie über dem Wasser inne
und trocknete sich dann an ihrem Umhang ab. Pascal nahm ihre rechte Hand in seine
und sagte: »Eiskalt.«
Sie entzog
sich ihm. »Erst tut Vico so, als sei ihm meine Meinung wichtig, aber wenn es um
richtige Entscheidungen geht, darf ich nicht mitreden!«
»Das ist
ärgerlich«, antwortete Pascal.
»Dass Cornelius
mir nicht beisteht, das hab ich mir ja denken können. Er macht das, was man ihm
aufträgt, und will seine Ruhe.« Jolanthe sah Pascal kurz in die Augen, wie um sich
zu vergewissern, dass er ihr zuhörte. Natürlich tat er das! »Ist doch wahr. Warum
respektieren sie mich nicht? Warum tun sie bloß so, als interessiere sie meine Meinung?
Mein Vater ist nicht besser, der lässt mich die Bücher führen, aber wenn ich ihm
eine Neuerung vorschlagen will, heißt es immer, ich solle mir meinen Kopf nicht
zerbrechen.«
»Ihr wisst,
was ich von Euch und Eurem Können halte.«
»Und so
langsam glaube ich, mit Eurem Urteilsvermögen kann es nicht ganz soweit her sein.«
Pascal musste
lachen. Ihr Ärger begann ihn zu amüsieren. »Ihr seid albern, und das wisst Ihr.
Wenn Ihr selbst nicht von Euch überzeugt wäret, würdet Ihr Euch nicht so über Euren
Schwager ärgern.«
Er sah,
wie sie sich auf die Lippen biss und vermutete, dass sie ein Lächeln verhindern
wollte. Schließlich gab sie es auf. »Ihr habt recht, wollt Ihr das hören? Vater
sieht nicht, dass Vico kein Gespür für den Handel hat. Er lässt sich über den Tisch
ziehen, selbst Vater hat in der kurzen Zeit schon Fehler von ihm ausmerzen müssen
mit Hilfe seiner
Weitere Kostenlose Bücher