Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
der
guten Seite zu sehen. Ihre Geldbörse war durch den Verkauf des Reifs gut gefüllt.
Nun konnte sie endlich beginnen mit ihren Geschäften, zumindest an den Münzen sollte
es nicht mehr scheitern. Hätte das Mutter nicht auch so gewollt?, fragte sie sich
und wusste, wenn sie ehrlich war, keine Antwort.
Jolanthe
schritt die Gasse entlang, kam an eine Kreuzung und wusste nicht mehr weiter. Erst
jetzt erkannte sie, dass sie vergessen hatte, den Goldschmied nach dem Weg zurück
zum Perlachplatz zu fragen. Sie wollte nicht umkehren, wandte sich stattdessen nach
links und ging einfach weiter. Nichts erkannte sie wieder. Das Gefühl der Einsamkeit
kam unvermittelt, und auch der Griff an ihr gut gefülltes Säckel half nicht.
Kapitel 17
Pascal hatte Mühe, seine Unruhe
zu verbergen. Warum musste Jolanthe darauf bestehen, allein loszuziehen? Was verbarg
sie vor ihm? Er wollte den Vormittag nutzen, um ihr die Stadt zu zeigen, das kam
nun nicht mehr in Frage. Es enttäuschte ihn, aber der Hauptgrund, warum er beschloss,
ihr zu folgen, war ein anderer. Er konnte nicht dulden, dass sie Geheimnisse vor
ihm hatte. Also verschwand er nur zum Schein zwischen den Marktständen, um sich
sogleich in einem Bogen unbemerkt wieder zu nähern. Sie sprach gerade mit einer
Gruppe von Nonnen, als er sie entdeckte. Er wartete ab, versteckt hinter der rückwärtigen
Abdeckung eines Töpferstands. Jolanthe hatte ihre einfache Reisekleidung vom Tag
zuvor ausgetauscht gegen ein wertvolleres Gewand, das ihrem Stand als Tochter eines
Ulmer Kaufmanns entsprach. Die letzten beiden Tage hatte sich die Sonne häufig sehen
lassen, und die Temperaturen waren gestiegen, was Jolanthe offenbar dazu veranlasst
hatte, ihren Umhang in der Herberge zu lassen. Ihr blaues Kleid war aus guter Wolle
gefertigt und entweder nicht oft getragen oder gut gepflegt. Die ausgestellten Ärmel
schwangen mit den Bewegungen ihrer Hände mit, wenn sie gestikulierte. Nun wandte
sie sich einer Magd zu, die sie angesprochen hatte. Pascals Neugier überdeckte den
Unmut über ihre Eigenmächtigkeit.
Unvermittelt
beendete sie das Gespräch und schlug den Weg vom Platz weg in eine Gasse ein. Er
folgte ihr. Bei der Werkstatt eines Goldschmieds hielt sie inne und betrat den Laden.
Pascal ging nicht davon aus, dass sie ein Schmuckstück erwerben wollte. Vielmehr
dämmerte ihm, sie wolle eines verkaufen, um zu Geld zu kommen, um nicht auf seine
Großzügigkeit angewiesen zu sein. Zugegeben, diese Aussicht erleichterte ihn wegen
ihrer Harmlosigkeit, und er beschloss, den Umstand zu nutzen.
In einem
Durchgang zu einem Hof versteckte er sich und wartete ab. Es dauerte nicht lange,
da kam sie aus der Werkstatt, hielt inne, so als zögere sie. In der Hand hielt sie
einen Beutel, den sie abwog und dann unter ihren Röcken versteckte. Als sie sich
umblickte, zog Pascal sich weiter in den Schatten zurück. Er konnte sie nun nicht
mehr sehen, doch die Gefahr, von ihr entdeckt zu werden, war ihm zu groß. Er wollte
ihr nicht sein Misstrauen erklären müssen. Langsam zählte er bis 50 und wagte sich
wieder nach vorn. Jolanthe war verschwunden. Gut so, dann konnte er nun seinen eigenen
kleinen Handel abschließen.
Mit dem
Goldschmied wurde er schnell einig, und der überzogene Preis, den der Mann für Jolanthes
Armreif wollte, ließ sich ohne Schwierigkeiten drücken, als er ihm erzählte, die
junge Frau, die ihm das gute Stück verkauft habe, käme zwar gut gekleidet daher,
aber sie sei eine Betrügerin. Sie habe den Schmuck ihrer Herrschaft gestohlen. »Überlasst
mir den Reif zu dem Preis, den Ihr gezahlt habt, und ich bewahre Stillschweigen.
Ihr bekommt keine Schwierigkeiten.«
Der Goldschmied
schien froh, ihn wieder loszuwerden. Als Pascal die Straße betrat, hörte er ihn
hinter sich über unmögliche Frauenzimmer fluchen.
Pascal schlug
den Weg zum Perlachplatz ein in der Annahme, Jolanthe bereits dort vorzufinden.
Er traf sie nicht an. Auch nachdem er den gesamten Platz nach ihr abgesucht hatte,
wurde er nicht schlauer. Als sie ihn am Arm berührte, schrak er zusammen und hätte
sie vor Erleichterung fast an den Schultern genommen und geschüttelt. Sie hakte
sich bei ihm unter.
»Ich habe
mich verlaufen«, erklärte sie, und ihm schien, als sei sie froh, seine Nähe zu spüren.
»Dabei habe ich mir wirklich alles gut eingeprägt. Einmal falsch abgebogen, und
man findet sich nicht mehr zurecht. Das ist ärgerlich.«
»Dies hier
ist nicht Ulm«, antwortete er. »In einer fremden
Weitere Kostenlose Bücher