Die Tochter von Avalon - Avalon High
Mutter?« Er ließ seinen Blick über das Wasser schweifen. »Nein, überhaupt nicht. Ich habe sie nie gekannt. Sie ist bei meiner Geburt gestorben.«
»Oh«, sagte ich.
»Es ist okay«, meinte Will mit einem Grinsen, weil er, wie ich schätze, meine Traurigkeit für ihn spürte und mich beruhigen wollte. »Du kannst nicht vermissen, was du nie hattest.«
»Wahrscheinlich«, stimmte ich ihm zu. »Magst du -« Ich machte eine Pause, weil ich nicht wusste, wie ich seine Stiefmutter nennen sollte, und entschied mich dann für: »- Marcos Mom?«
»Jean?« Will nickte. »Ja, ich mag sie sehr.«
»Schön. Das ist gut. Und Marco?«
»Auch.« Sein Grinsen wurde breiter. »Wieso weißt du von Marco und Jean? Hast du Erkundigungen über mich eingezogen oder so was?«
»Vielleicht.« Ich fühlte, wie ich rot wurde, und hoffte, dass es ihm in der Dunkelheit nicht auffiel.
Falls es doch so war, ließ er es sich nicht anmerken.
»Marco ist cool«, sagte Will mit einem Achselzucken. »Er …« Er hielt inne, scheinbar auf der Suche nach den richtigen Worten. »Er ist ziemlich bescheiden aufgewachsen. Hat ein paar Probleme gehabt. Aber ich glaube, er wird langsam ein bisschen ruhiger.«
»Versteht er sich mit deinem Vater?«, fragte ich mit beiläufiger Stimme, obwohl es mich brennend interessierte. Würde ich mich mit dem Mann verstehen, der meinen Vater in den Tod geschickt und anschließend meine Mutter geheiratet hat? Ich denke wohl eher nicht.
Will sah nachdenklich drein. Nicht traurig oder so was. Nur so, als würde er angestrengt über meine Frage nachdenken. »Weißt du, ich glaube, sie verstehen sich wirklich. Für Marco ist es irgendwie anders. Ich meine, er ist nicht mit meinem Dad verwandt. Deshalb ist da nicht die gleiche … Spannung zwischen ihnen wie zwischen meinem Dad und mir.«
»Ich schätze, das hast du gemeint, als du davon gesprochen hast, dass die Dinge in letzter Zeit seltsam gewesen seien«, sagte ich. »Die ganze Sache mit Marco und deinem Vater und deiner Stiefmutter … was zwischen ihnen passiert ist und all das?«
Wahrscheinlich war das reines Wunschdenken. Ich meine, anzunehmen, dass in Wirklichkeit die Geschichte mit seinen Eltern Will so sehr belastete und nicht … nun, das mit seiner Freundin. Hatte Will überhaupt einen Verdacht? Wegen Lance und Jennifer? Er musste einen haben. Nach dem, was heute Abend beim Spiel passiert war, als Lance ihn nicht geschützt hatte, weil er sich stattdessen an der Seitenlinie mit Jennifer unterhielt … und nun waren sie zusammen verschwunden …
Er musste sich mit seinen Worten auf die beiden bezogen haben. Sie waren der Grund, warum ich manchmal diesen dunklen Schatten über sein Gesicht huschen sah. Oder etwa nicht? Ich meine … wirklich nicht?
»Ich denke, das ist ein Teil davon«, sagte er und blickte
auf das Wasser hinunter. »Aber es erklärt nicht alles. Es erklärt nicht …« Er riss seinen Blick von der Bucht los und sah mir ins Gesicht.
Und ich wusste - wusste instinktiv -, was jetzt kommen würde. Ich schloss sogar meine Augen, um mich für den Schlag zu wappnen.
Jetzt fragt er mich , dachte ich. Jetzt fragt er mich wegen Lance und Jennifer . Was soll ich bloß sagen ? Ich kann nicht diejenige sein, von der er die Wahrheit erfährt. Ich kann es einfach nicht. Sie sollten es ihm selbst sagen müssen. Lance und Jennifer. Schließlich ist es ihre Schuld und nicht meine. Sie sollten diejenigen sein, die ihm die Nachricht überbringen. Es ist nicht fair, dass ich das tun muss.
Aber was Will, zu meinem grenzenlosen Erstaunen, stattdessen zu mir sagte, war: »Es erklärt nicht, was da gerade zwischen dir und mir passiert.«
Falls der Meteorit, über den ich früher am Abend fantasiert hatte, tatsächlich plötzlich vom Himmel herabgestürzt wäre und Avalons Cheerleader-Team unter sich begraben hätte, bezweifle ich, dass mich das so sehr überrascht hätte wie das, was Will gerade zu mir gesagt hatte. Ich war tatsächlich sprachlos vor Erstaunen, und meine Augen, die nun weit aufgerissen waren, starrten ihn schockiert an, während mein Gehirn benommen immer wieder seine letzen Worte wiederholte … Zwischen dir und mir. Dir und mir. Dir und mir.
Nur dass … es kein zwischen dir und mir gab. Für mich vielleicht schon. Aber nicht für Will.
Oder doch?
Aber noch bevor ich anfangen konnte, mir eine Erwiderung auf seine außergewöhnliche Bemerkung zu überlegen,
riss er seinen Blick von meinem los, sah wieder zurück zum Wasser und
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