Die Tochter von Avalon - Avalon High
anderen Leben.
»Ich muss aufhören, Mom«, sagte ich und legte einfach auf, obwohl sie mich soeben gefragt hatte: »Was für eine Art Referat ist das eigentlich, Elaine? Für eine Highschool-Arbeit werden da aber schrecklich viele Details verlangt …«
Ich hatte nämlich gesehen, dass in der Kabine, in der ich stand, ein zerfleddertes Telefonbuch des Anne Arundel County baumelte. Ich nahm es hoch.
Das tat ich nicht, weil ich erwartete, irgendetwas zu finden. Ich tat es, um mir selbst zu beweisen, dass das, was ich dachte, vollkommen verrückt war. Ich tat es, weil ich wusste , dass es nicht wahr sein konnte. Ich suchte nur nach einem Beweis für diese Tatsache. Ich tat es, um den Ausdruck auf Mr. Mortons Gesicht aus meinem Gedächtnis zu löschen - diesen Ausdruck nackter Angst, der sich in seine zerfurchten Züge gegraben hatte, als ich ihm von Lance und Jennifer erzählte.
Ich tat es, um den Schweiß auf meinen Händen zu trocknen.
Ich schlug die Einträge unter W auf.
Weil nämlich das A in A. William Wagner für irgendeinen Namen stehen musste. Es war mir nie in den Sinn gekommen, danach zu fragen, doch jetzt wollte ich es wissen.
Wenn ein Junge seinen mittleren Namen benutzt, dann normalerweise deshalb, weil sein erster Vorname derselbe ist wie der seines Vaters. Wills Dad hieß vermutlich Anthony. Oder Andrew. Will wollte wahrscheinlich nicht Andrew genannt werden, weil es bestimmt für Verwirrung sorgte, zwei Andrews oder was auch immer innerhalb einer Familie zu haben.
Ich entdeckte es fast sofort. Wagner, Arthur , Admiral. Eingetragen unter Wills Adresse.
Ich starrte ungläubig auf die Seite runter.
Arthur. Wills richtiger Name war Arthur.
Und er hatte einen Hund namens Cavalier und ein Boot namens Pride Winn .
Und sein bester Freund hieß Lance.
Und der Name seiner Freundin - inzwischen seine Ex -
lautete Jennifer, was die englische Form von Guinevere war.
Und sein Vater hatte die Frau eines anderen geheiratet, nachdem ihr erster Mann gestorben war, Gerüchten zufolge durch Admiral Wagners Schuld …
Ich ließ das Telefonbuch fallen. Ich musste mich zusammenreißen. Aufhören, mich so lächerlich zu benehmen. Die Ähnlichkeiten zwischen Wills Leben und dem des Königs, von dem meine Mutter mir gerade erzählt hatte, waren reiner Zufall. Weil nämlich Jean - wie Will seine Stiefmutter genannt hatte - nicht Wills Mutter war, im Gegensatz zu Igraine und Artus. Wills Mom war vor vielen Jahren bei seiner Geburt gestorben. Will und Marco waren Stiefbrüder und in keiner Weise blutsverwandt.
Also. Was Mr. Morton dachte, war nicht wahr. Es konnte nicht wahr sein. Und das war es auch nicht.
Ich hob meinen Rucksack auf und ging in Richtung Damentoilette. Dort angekommen ließ ich kaltes Wasser ins Waschbecken laufen und bespritzte mein Gesicht damit. Dann sah ich mein tropfendes Gegenüber in dem Spiegel an, der über der Reihe der Becken montiert war.
Was um alles in der Welt war bloß mit mir los? Hatte ich wirklich geglaubt, dass Artus - einstiger König von England und Begründer der Tafelrunde - letztendlich wiedergeboren worden war und nun in Annapolis lebte?
Und hatte ich mir wirklich eingebildet, dass ich, Elaine Harrison, die Lady von Shalott war, eine Frau, die sich wegen eines Typen wie Lance umgebracht hatte?
Dieser Gedanke hatte auf mein Gehirn die Wirkung einer kalten Dusche. Zum Ersten: Auf gar keinen Fall bin ich die Reinkarnation einer Idiotin wie Elaine.
Zum Zweiten werden Menschen - das gilt auch für legendäre Könige von England - nicht wiedergeboren. Solche Dinge passieren nicht. Ich meine, wir leben in einer geordneten Welt und in einem Zeitalter der Aufklärung und Bildung. Wir müssen uns nicht wie die Leute in früheren Tagen Mythen und Geschichten ausdenken, um zu erklären, was wir nicht verstehen, weil uns heute bewusst ist, dass es für alles eine wissenschaftliche Erklärung gibt.
Will war kein moderner, wiedergeborener Artus.
Aber dennoch …
Was, wenn es doch wahr wäre?
Ich klammerte mich an den Beckenrand und starrte mein Spiegelbild an. Was geschah mit mir? Fing ich wirklich an, etwas derart Unglaubliches für möglich zu halten? Wie könnte ich? Ich war doch die praktisch Veranlagte. Nancy war die Romantikerin, nicht ich. Ich bin die Tochter von Wissenschaftlern. Ich durfte einfach nicht an so ein Zeug glauben.
Aber dennoch …
Aber dennoch schnappte ich mir Sekunden später wieder meinen Rucksack und lief zurück zu dem Klassenzimmer, in dem ich
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