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Die Todesbotin

Die Todesbotin

Titel: Die Todesbotin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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wir vorhin hier unten gewesen waren,
und deshalb waren sie auch so schnell erloschen.
    »Ich glaube aber nicht, daß das
Petroleum ist«, meinte mein einsichtigeres Ich vorwitzig und wimmerte dann
leise: »Es sieht eher wie Blut aus .«
    »Blut ?« krächzte ich. »Du hast ja den Verstand verloren! Wie, um alles in der Welt,
käme hier Blut auf den Fußboden ?«
    »Ehrlich gesagt, möchte ich das
gar nicht wissen«, versicherte mir mein anderes Ich hastig und unterbrach dann
schleunigst die Verbindung.
    Zögernd beschrieb ich mit dem
Lichtstrahl einen Halbkreis auf dem Boden, wobei ich immer größere und tiefere
Pfützen entdeckte. Dann kam der Strahl zitternd zu Füßen der Eisernen Jungfrau
zum Halten. Er zitterte noch mehr, als ich in den Füßen der Jungfrau ein Paar
Schuhe entdeckte.
    »Burke !« sagte ich mit bebender Stimme. »Wenn Sie sich das als makabren Scherz
ausgedacht haben, dann stecke ich Ihre Eier in die nächste Daumenschraube
und...«
    Mein Satz versickerte in der
lastenden Stille. Die Taschenlampe in meiner Hand fühlte sich an, als wäre sie
hundert Pfund schwer, sobald ich sie ein wenig anheben wollte. Ihr Lichtstrahl
huschte über die Eiserne Jungfrau wie ein Scheinwerfer über eine Miniaturbühne,
aber dem Publikum stand der Sinn nicht nach Applaus. Seitdem ich die Eiserne
Jungfrau zum letztenmal gesehen hatte, waren einige
Veränderungen mit ihr vorgegangen. Jetzt stand ein Mann in ihrer leeren Form,
und die Tür war fest zugedrückt worden. All die mörderischen Dornen hatten sich
brutal in das weiche, nachgiebige Fleisch gebohrt. Mit dem einen Detail hatte
Allard sich geirrt, dachte ich halb betäubt: das Blut war nur bis zur Hälfte
des Zimmers gespritzt.
    Eine entsetzliche Entdeckung
stand mir noch bevor: der oberste Dorn stak genau in der Mitte der Stirn, und
das in nacktem Terror erstarrte Gesicht wirkte, als sei Calvin Burke noch am
Leben.
     
     
     

7
     
    In diesem Augenblick brannte
bei mir eine Sicherung durch. Ich konnte mich keine Sekunde länger im selben
Raum mit Burkes Leiche aufhalten, ohne den Verstand zu verlieren. Die
Holzbohlentür hinderte mich daran, ins Freie zu gelangen, deshalb blieben nur
die Kerker. Selbst sie schienen mir sehr viel einladender zu sein als diese
gräßliche Gesellschafterin, die Eiserne Jungfrau samt Inhalt.
    Meine Füße waren den Gedanken
schon weit vorausgeeilt. Als ich wieder klar denken konnte, rannte ich
blindlings davon, und der Lichtstrahl der Taschenlampe tanzte wild über die
Wände des dunklen Korridors, der zu den Kerkerräumen führte. Ich war an den
ersten beiden schon vorbei, als ich mir klarmachte, daß ich direkt an die
gegenüberliegende Wand prallen würde, wenn ich jetzt nicht das Tempo drosselte.
Im nächsten Augenblick rutschte ich auf dem glitschigen Steinfußboden aus und
ruderte wild, um das Gleichgewicht zu wahren. Als ich trotzdem umzukippen
drohte, tastete ich Halt suchend mit dem linken Fuß nach vorn. Aber ich
verlagerte mein ganzes Gewicht auf leere Luft und stieß einen wilden Schrei
aus, als ich begriff, daß ich in diese Höllengrube stürzte, die der dritte
Kerker war.
    Drei Meter unterhalb des
Korridorniveaus landete ich mit einem lauten Knall auf den Füßen. Und dann
wurde die ganze Welt verrückt. Ich hielt weiterhin die Taschenlampe fest
umklammert und sah im nächsten Moment, daß der Fußboden langsam die Wände
hochging. Als ich noch an diesem Phänomen herumrätselte, gab auch der Teil des
Bodens, auf dem ich stand, nach. Zum zweitenmal brüllte ich wild auf, als ich schon wieder stürzte, aber diesmal schien es
nicht so tief zu sein. Vielleicht zwei Meter? Mit einem markerschütternden
Poltern landete ich auf den Knien, dann duckte ich mich unwillkürlich, als der
Himmel über mir einzustürzen schien. Mit einem dumpfen Krachen schwang der
Boden in seine Ausgangsstellung zurück und wurde zur Decke direkt über meinem
Kopf.
    Die einzig logische Erklärung
war folgende: der Boden der Grube war um irgendeine Mittelachse beweglich, und
als ich mit meinem ganzen Gewicht auf die eine Seite gefallen war, hatte sich
die Falltür gedreht und mich hier unten abgeladen. Aber wo war ich? Das Licht
der Taschenlampe zeigte mir direkt vor Augen eine feuchte Steinwand, deshalb
wandte ich mich hastig um und spähte in die andere Richtung.
    Zwei gelbglänzende Augen
starrten mich eine Weile unverwandt an, dann verschwanden sie mit einem leisen
Rascheln. Ich hatte die plötzliche Vision, wie ich als lebendig Begrabener

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