Die Todesbotschaft
hätte. Irgendwann drehte ich den Spieß um und fragte im Gegenzug ihm ein Loch in den Bauch. Ich erfuhr, dass er sich als Einzelkind immer einen Bruder gewünscht habe. Dass sein Vater Arzt gewesen war, seine Mutter eine leidenschaftliche Hausfrau mit den besten Kochkünsten weit und breit. Dass er in der Schule für die Schülerzeitung verantwortlich war und schon früh beschlossen hatte, später einmal Journalist zu werden.
Ein Anruf auf seinem Handy unterbrach unser Gespräch, so dass ich für eine Weile ungestört arbeiten konnte. Als er zurückkam, setzte er sich wieder auf den Tisch.
»Dein Vater und seine Partner haben sich beim Rudern kennengelernt, stimmt’s?«, fragte er, nachdem er mir ein paar Minuten schweigend zugesehen hatte.
»Woher weißt du das?«
»Das stand in einem Artikel, den ich kürzlich gelesen habe. Mein erster Eindruck war, dass es sich um eine PR -Geschichte handelt: Erfolgreiche Rudermannschaft gründet Detektei. Mit diesem Sport wird viel Positives verbunden – Ausdauer, Teamfähigkeit, Sportsgeist, Disziplin. Damit lässt sich ein Gewerbe, das nicht überall den besten Ruf genießt, auf subtile Weise aufwerten.«
»Sie haben einen Vierer gerudert«, sagte ich.
»Ja, das habe ich auch herausgefunden.«
»Warum recherchierst du über meinen Vater?« Befremdet ging ich zum Fenster und lehnte mich mit dem Rücken gegen die Fensterbank.
»Das ist eine Berufskrankheit, Finja. Entschuldige. Ich wollte lesen, was ich über dich finde, und dabei ist natürlich auch immer wieder der Name deines Vaters aufgetaucht. Ich wäre ein Heiliger, hätte ich das alles weggeklickt.«
Mein Gefühl sagte mir, dass er log oder sich zumindest nicht ganz an die Wahrheit hielt. »Also weißt du jetzt, wie die Partner zusammengefunden haben. Was hast du bei deinen Recherchen noch herausgefunden?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
»Dass sie ursprünglich zu fünft im Boot gesessen haben.«
»Ja, der Fünfte war der Steuermann. Er hatte jedoch kein Interesse daran, Mitbegründer einer Detektei zu werden.«
»Vielleicht haben sie ihn zu oft ins Wasser geworfen«, sprach Richard mit einem schiefen Grinsen auf die Tradition an, den Steuermann eines siegreichen Bootes nach dem Ende des Rennens ins Wasser zu werfen. »Oder vielleicht gab es unterschiedliche Vorstellungen über die einzuschlagende Richtung. Vielleicht wollten sich die vier Ruderer sozusagen freirudern.« Er neigte den Kopf Richtung Schulter und schien über seine Theorien nachzudenken. »In jedem Fall ist aus allen fünf etwas geworden. Ohne den entsprechenden Biss wirst du wohl auch nicht so erfolgreich – weder im Sport noch im Berufsleben. Allerdings hat sich der Steuermann ja dann für ein völlig anderes Gewerbe entschieden.«
»Thomas Niemeyer … ich weiß.«
»Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der Unternehmensgruppe Carstens. Die Gruppe hat vergangene Woche
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übernommen, vielleicht hast du davon gehört. Diese Übernahme hat für ziemlichen Wirbel gesorgt. Und für das Gerücht, es könne dabei nicht mit rechten Dingen zugegangen sein, da dem Mitbewerber um
Drehse Biotech
im Vorfeld die besseren Chancen eingeräumt worden waren.«
Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, was Richard da andeutete. Ich gab mir Mühe, mein Lachen überzeugend klingen zu lassen. »Und jetzt glaubst du,
BGS&R
habe ein wenig nachgeholfen, um die Konkurrenzsituation dieser Carstens-Gruppe zu verbessern? Vergiss es! Mein Vater hat schon lange keinen Kontakt mehr zu Thomas Niemeyer. Außerdem würde er bei so etwas nicht mitmachen.« Solche Worte kamen mir immer noch leicht über die Lippen. Ich hätte etwas dafür gegeben, wenn sie der Wahrheit entsprochen hätten.
»Woher willst du wissen, dass die früheren Sportskumpane keinen Kontakt mehr haben?«, fragte Richard.
»Weil mein Vater das sagt. Reicht dir das als Information?« Wütend und enttäuscht packte ich meine Utensilien zusammen, schob sie in die Ecke und hängte meine Tasche über die Schulter.
Richard sprang vom Tisch und kam mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. Aber ich wich ihm aus. Ohne ein weiteres Wort schlug ich die Tür hinter mir zu.
Zurück in meiner Wohnung schaltete ich Klingel, Festnetztelefon und Handy aus und setzte mich auf meine Schaukel. Ich nahm Schwung und sehnte mich nach dem Gleichgewicht, das mir in den vergangenen Wochen abhandengekommen war. Aber so sehr ich es mir auch herbeisehnte, es wollte sich nicht einstellen. Ich ärgerte
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