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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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mich über Richards Fragen und im gleichen Atemzug über mein kindisches Verhalten.
    Als ich darüber nachdachte, dass ich am liebsten Amelie von Richard erzählt hätte, traf mich die Endgültigkeit ihres Todes voller Wucht. Ich wusste nicht, wohin mit diesem Gefühl, und lief wie ein Tier auf der Flucht durch meine Wohnung. Bis mir in einem der Bücherregale im Flur ein kleines, noch unbeschriebenes Notizbuch ins Auge fiel. Ich nahm es und verzog mich damit in mein Bett. Meine Decke wie ein Nest um mich herumdrapiert begann ich, meine Erinnerungen an Amelie aufzuschreiben. Jede Träne, die ich dabei vergoss, schien mich meiner Schwester näherzubringen. Schließlich musste ich nur die Augen schließen, um sie mit mir im Raum zu spüren. Sie fehlte mir so sehr, dass es körperlich weh tat. Nie wieder würde mir jemand auf diese Weise vertraut sein, nie wieder würde mich jemand mit ihren Augen sehen. Ihr Mörder hatte nicht nur ihr Leben zerstört, sondern eine große Lücke in meines gerissen. Wie eine klaffende Wunde, die einfach zu groß war, um sich jemals wieder vollständig schließen zu können.
    Nachdem ich stundenlang geschrieben hatte, setzte ich mich wieder auf die Schaukel und schwang mit geschlossenen Augen hin und her. Die Bewegung brachte meine Seele so weit in ein Gleichgewicht, dass ich es ertrug, Fotos von Amelie anzusehen. Ich suchte mehrere heraus, breitete sie neben mir auf dem Boden aus, zündete eine Kerze an und füllte den Raum mit leiser Klaviermusik. Irgendwann war ich so müde, dass ich mich auf dem Boden zusammenrollte und einschlief.
    Ich träumte wirres Zeug, von dem ich immer wieder aufwachte. Irgendwann gegen Morgen stand ich mit schmerzendem Rücken vom Boden auf, lief im Halbschlaf ins Schlafzimmer und legte mich wieder hin. Bis mich ein Geräusch aufschrecken ließ. Kerzengerade im Bett sitzend versuchte ich herauszufinden, was es gewesen war. Mein Herz klopfte so stark, dass es mir vorkam, als müsse es jeden Moment seinen Geist aufgeben. Die DVD s, schoss es mir durch den Kopf. Eva-Maria war überzeugt, mein Vater und Tobias würden versuchen, die Datenträger zurückzubekommen. In diesem Augenblick hörte ich das Geräusch wieder. Jemand klopfte an meine Tür. Ich sah auf die Uhr: Es war noch nicht einmal sieben.
    Ich schlich in den Flur und versuchte, aus sicherer Entfernung die Silhouette meines Besuchers durch die Bleiglasfenster in der Tür zu erkennen. Wieder klopfte es. Gleich darauf war eine männliche Stimme zu hören.
    »Finja, bist du da?«
    Ich riss die Tür auf und wetterte los. »Hast du verdammt noch mal eine Ahnung, wie sehr du mich erschreckt hast?«
    Mit der Brötchentüte in der Hand schien Richard nicht zu wissen, wie ihm geschah. »Dein Handy ist ausgeschaltet«, verteidigte er sich. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht und wollte mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Als du auf mein Klingeln nicht reagiert hast, habe ich eine Nachbarin gebeten, mich ins Haus zu lassen. Ist deine Klingel kaputt?«
    Ich schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zur Seite, um ihn hereinzulassen. »Abgestellt.« Nachdem ich den Schalter wieder herumgedreht hatte, folgte ich Richard, der sich bereits staunend in meinem Wohnzimmer umsah.
    »Soll ich dir die Brötchen abnehmen?«, fragte ich. Ohne seine Antwort abzuwarten, nahm ich ihm die Tüte aus der Hand. Im Hinausgehen schnappte ich mir meine Tasche mit den DVD s und ließ sie im Bad im Korb für die dreckige Wäsche verschwinden. Dann setzte ich Wasser für den Kaffee auf.
    Richard schien die Lektion vom Vortag verinnerlicht zu haben, denn er erwähnte weder meinen Vater noch
BGS&R
oder die Übernahme von
Drehse Biotech
durch die Carstens-Gruppe. Stattdessen betrachtete er die Fotos von Amelie, die immer noch auf dem Boden lagen. Als er sich gerade danach bücken wollte, zog ich ihn fort in die Küche, wo wir uns über das bis auf die Brötchen nicht gerade reichhaltige Frühstück hermachten. In Anbetracht des schönen Wetters versuchte er, mich zu einem Ausflug an den Schlachtensee zu überreden.
    Eine halbe Stunde später saßen wir bereits in seinem alten Volvo. Der für den frühen Morgen schon warme Fahrtwind drang durch die heruntergedrehten Scheiben und ließ meine Haare fliegen. Ich schloss die Augen und ließ mich von Amy Macdonalds »Don’t Tell Me That It’s Over«, das gerade im Radio gespielt wurde, davontragen. Zwischendurch blinzelte ich zu Richard, der konzentriert auf die Straße sah. Ich

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