Die Todesbotschaft
Ich küsste ihn zum Abschied und schob ihn zu Tür hinaus.
»Wer war das?«, fragte Adrian, als ich ins Wohnzimmer kam.
»Mein derzeitiger Auftraggeber.«
»Der übernachtet bei dir?«
Ohne darauf einzugehen, fragte ich, was passiert sei.
»Der Laptop meines Vaters und die DVD s sind aus meiner Wohnung verschwunden«, antwortete er. »Bevor ich zur Beerdigung gefahren bin, lag alles noch auf dem Schreibtisch. Es gibt keinerlei Einbruchspuren. Außer Amelie und mir hatte niemand einen Schlüssel.« Er fuhr sich durch seine Haare, schloss für einen Moment die Augen und schluckte hart. »Ich habe dann ein Sicherheitsunternehmen damit beauftragt, unsere Wohnung nach Wanzen abzusuchen.« Sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
»Das haben sie nicht gewagt, oder?«
»Jedes Zimmer war verwanzt.«
»Mir ist schlecht«, murmelte ich und stand auf, »bin gleich wieder da.« Ich lief ins Bad, holte meine Tasche aus dem Wäschekorb und starrte entgeistert hinein. Sie waren weg. Mein erster Gedanke galt Richard. Er hätte die Gelegenheit gehabt, die Datenträger zu entwenden. Aber dazu hätte er meine Wohnung durchsuchen müssen. In meiner Anwesenheit wäre ihm das kaum möglich gewesen. An diesem Punkt riss ich mich zusammen. Mein Vater und Tobias waren diejenigen, die ein Interesse an den Mitschnitten hatten. Richard hatte ein Interesse an mir – und möglicherweise auch ein berufliches an meinem Vater. Trotzdem waren das zwei verschiedene Baustellen.
Ich ließ die Tasche zu Boden gleiten und setzte mich kraftlos auf den Deckel der Toilette. Wer immer die DVD s gestohlen hatte, hatte sie erst einmal finden müssen, hatte also meine Schubladen und Schränke durchsuchen müssen. Und ich hatte nichts davon bemerkt. Alles stand an seinem Platz, nichts deutete auf heimliche Besucher hin. Aber es war jemand hier gewesen. Bei dieser Vorstellung kroch mir eine Gänsehaut die Wirbelsäule hinauf. Ich fühlte mich wie versteinert. Hätten sie wenigstens meine Wohnung sichtbar auf den Kopf gestellt. Das wäre längst nicht so beängstigend gewesen wie die Vorstellung, dass sie sie betreten und wieder verlassen konnten, wie es ihnen passte.
Ich stellte mich unter die Dusche und ließ Mengen heißen Wassers über mich laufen. Aber das beklemmende Gefühl ließ sich damit nicht wegwaschen. Nachdem ich mich in Windeseile angezogen hatte, ging ich zurück ins Wohnzimmer, wobei ich meinen Blick aufmerksam über jeden einzelnen Gegenstand wandern ließ. Alles stand auf erschreckende Weise exakt an seinem Platz.
»Bei mir waren sie auch«, sagte ich tonlos und gestand Adrian, dass ich im Hotel einige der Datenträger eingesteckt hatte, damit wenigstens noch ein paar Beweise erhalten blieben.
»Dann rate ich dir, so schnell wie möglich jemanden zu beauftragen, der deine Wohnung nach Wanzen absucht.«
Während ich mich in meinem Wohnzimmer umsah, wandelte sich mein Schreck zunächst in Wut und dann in eine tiefe Traurigkeit. Der Vater, dem ich noch bis vor ein paar Wochen vertraut hatte, schien mir für immer verlorengegangen zu sein. »Ich frage mich, ob er überhaupt noch den Hauch eines Unrechtsbewusstseins besitzt. Schämt er sich wie ich, wenn ich ihm hinterherschnüffele? Tut er sich wenigstens schwer damit, oder geht es ihm so selbstverständlich von der Hand wie seine widerwärtigen Bespitzelungen?« Ich zündete mir eine Zigarette an und blies den Rauch zur Decke. Während ich einen Zug nach dem anderen nahm, sahen Adrian und ich uns stumm an.
»Ich brauche frische Luft«, sagte er schließlich in die Stille hinein und stand auf. »Magst du eine Runde mit mir um den Block gehen?«
Obwohl ich wusste, dass nichts zu sehen sein würde, suchte ich beim Öffnen der Wohnungstür den Rahmen nach Beschädigungen ab. Dann zog ich die Tür hinter uns zu.
Adrian sprang die Treppen der vier Stockwerke hinunter, als sei er auf der Flucht. Im Eilschritt durchquerte er den Hinterhof, lief durchs Vorderhaus und hielt mir dort ungeduldig die Tür auf. »Weißt du einen Ort, an dem wir ungestört und unbeobachtet sind? Es gibt etwas, das ich dir dringend zeigen muss«, sagte er außer Atem.
»Dann gehen wir um die Ecke in ein Café«, schlug ich vor.
Er schüttelte den Kopf. »Wer meine und vielleicht auch deine Wohnung verwanzt hat, dem ist auch zuzutrauen, dass er uns an einem öffentlichen Ort mit einem Richtmikrofon belauscht.«
»Wozu dieser Aufwand? Sie haben doch alles«, sagte ich niedergeschlagen.
»Solche Leute gehen auf
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