Die Todesbotschaft
war tief und warm und hatte etwas Beruhigendes, gleichgültig, was sie sagte. Ich lehnte den Kopf gegen die von der Sonne aufgeheizte Hauswand und schloss die Augen. Nach einer Weile öffnete ich sie wieder und sagte: »Amelie ist schwanger.«
»Auch das noch!«, kam Ellys Reaktion prompt.
Das Haus der Graszhoffs lag in Holz, einem am Hang gelegenen Ortsteil von Bad Wiessee. Eine meterhohe, dichte Fichtenhecke verbarg das Anwesen vor den Augen neugieriger Passanten.
Ich parkte meinen Wagen am Straßenrand und lief die paar Meter bis zum Tor. Kaum hatte ich geklingelt, nahmen mich zwei Kameras ins Visier. Dieses Procedere war mir von meinem Elternhaus nur allzu vertraut. Und dennoch hatte ich mich nie daran gewöhnen können.
Der Türöffner summte, und das Tor schwang wie von Geisterhand auf, um sich hinter mir sofort wieder zu schließen. Ein von Stockrosen eingerahmter Kopfsteinpflasterweg führte hinauf zum Haus. Cornelias Lieblingsblumen blühten in allen Farben und reichten mir fast bis zur Schulter. Ich blieb kurz stehen und strich über die Blüten, bevor ich auf das Haus zuging. Es war ein in hellen Erdtönen gehaltenes Landhaus mit taubenblauen Fensterläden.
Die Haustür stand offen, es war jedoch niemand zu sehen. Drinnen empfingen mich angenehme Kühle und der Duft von Weihrauch. Schmale Streifen von Sonnenlicht fielen durch die geschlossenen Fensterläden. Ich trat in die Halle und gab der Tür mit dem Fuß einen leichten Stoß, so dass sie hinter mir ins Schloss fiel. Ich horchte. Aus einem der hinteren Zimmer im Erdgeschoss waren Männerstimmen zu hören.
Gerade wollte ich den Stimmen folgen, als mich das Klack-Klack hoher Absätze auf dem Holzboden zurückhielt. Amelie kam in einem schwarzen Wickelkleid auf mich zu. Wenige Schritte vor mir blieb sie stehen und sah mich wortlos an, bis wir einander in die Arme nahmen. Ihre Tränen tropften in meinen Nacken. Ich spürte ihren kleinen festen Bauch und ihre Brüste, die voller geworden waren. Sie hielt sich an mir fest, bis sie schließlich einen Schritt zurücktrat und sich die Nase schneuzte.
Meine Schwester trug einen schwarzen Seidenschal, der ihre Haare aus der Stirn hielt und ihre klaren Gesichtszüge betonte. Die vergangenen vierundzwanzig Stunden hatten rötliche Flecken auf ihrer Haut hinterlassen.
»Hast du überhaupt schlafen können?«, fragte ich sie.
Sie schüttelte den Kopf. »Dabei habe ich die ganze Zeit das Gefühl, als würde ich jeden Augenblick im Stehen einnicken. Sobald ich mich jedoch hinlege, klopft mein Herz wie verrückt. Aber das ist nichts im Vergleich dazu, wie es Adrian und Carl geht. Die beiden sind völlig fertig. Um Carl mache ich mir richtig Sorgen.«
»Ist der Pfarrer da?«, fragte ich.
»Nein, zwei Männer von der Polizei. Meinst du wegen des Weihrauchs? Ich habe Räucherstäbchen aufgestellt. Dieser Duft soll gut gegen depressive Verstimmungen sein – auch wenn ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, dass er gegen Carls Zustand auch nur das Geringste auszurichten vermag. Aber schaden wird es ihm auch nicht«, meinte sie mit einem Schulterzucken, das so verhalten war, als laste die Trauer wie Blei auf jeder ihrer Bewegungen.
»Und dir wird nicht schlecht von dem Geruch?«
»Mir ist speiübel.« Amelie nahm meine Hand und zog mich hinter sich her. »Lass uns in die Bibliothek gehen. Du kannst mir helfen, die Umschläge der Traueranzeigen zu beschriften, wenn du magst.« Sie klang, als sei sie mit ihren Gedanken ganz woanders.
»Es ist so schlimm!«, sagte ich leise, als sie die Tür hinter uns geschlossen hatte.
Amelie ging zu einer kleinen Sitzgruppe mit Beistelltischen, ließ sich in einen der Ledersessel sinken und sah sich in der Bibliothek um, die ein wenig an eine alte Studierstube erinnerte. Ich folgte ihrem Blick über die Wände, die bis zur Decke mit Büchern bedeckt waren. Außer der Sitzgruppe standen im Raum verteilt noch zwei quadratische Biedermeiertische mit den passenden Stühlen. An dem vor dem Fenster hatten wir früher oft gespielt. Die Holzkästen mit den Spielen standen immer noch aufeinandergestapelt auf dem grünen Filztuch.
»Dieses ganze Haus ist in all seinen liebevollen Details so sehr von Cornelia geprägt. Und dann steigt sie gestern mit ihrem Sohn ins Auto und kommt nicht mehr heim. In der Küche liegt ein aufgeschlagenes Kochbuch, auf einem Zettel hat sie sich Notizen gemacht, was sie noch einkaufen musste. Daneben liegt ihre Lesebrille.« Amelie strich mit den
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