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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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ein sternenklarer Abend. Wir schauten hinunter auf die scheinbar glatte Oberfläche des Sees und das Lichterspiel darauf.
    »Als würden sich die Sterne im See spiegeln«, wiederholte Adrian die Worte, die seine Mutter in solchen Momenten fast ehrfürchtig ausgesprochen hatte.
    Mir gingen all die Kommentare durch den Kopf, die sie dafür stets geerntet hatte – von
unverbesserliche Romantikerin
bis
Kalenderblattkitsch
.
    Adrian holte neben mir tief Luft. Das Ausatmen klang wie ein Stöhnen. Ich sah ihn an. Normalerweise trug er Gel in seinem dunklen Haar, mit dem er die Locken glättete, die er von seiner Mutter geerbt hatte und die ihn für seine vierunddreißig Jahre jungenhaft aussehen ließen. Von ihr hatte er auch die schlanke Statur, die feinen Gesichtszüge und die graugrünen Augen. Beruflich war Adrian vor zwei Jahren in die Fußstapfen seines Vaters getreten und bei
BGS&R
eingestiegen. Dort hatte er damit begonnen, die Erbensuche auszubauen – einen Bereich, der bis dahin eher vernachlässigt worden war.
    »Was hat die Polizei gesagt?«, fragte ich in die Stille hinein.
    »Die beiden Beamten haben die Aussage des Bauern bestätigt. Mutters Auto ist von einem anderen mit einem ziemlich heftigen Manöver von der Straße abgedrängt worden.«
    »Ich werde nie begreifen, wieso man seine Aggressionen ausgerechnet am Steuer abreagieren muss. Diese Leute sind so hirnlos. Ich glaube, die machen sich keine Sekunde lang klar, was sie damit anrichten können.«
    »Der Spurenlage nach zu urteilen, könne es sich auch um ein gezieltes Manöver gehandelt haben, meinten die Beamten. Aber das halte ich für ausgemachten Blödsinn. Meinem Vater haben sie damit den Rest gegeben. Schon als sie das nur andeuteten, ist sein Gesicht vor Aufregung dunkelrot angelaufen. Er ließ sich kaum noch beruhigen, und ich hatte den Eindruck, sein Herz würde jeden Moment stillstehen.«
    »Gezieltes Manöver?«, wiederholte ich seine Worte. »Warum sollte denn jemand so etwas absichtlich tun?« Es war eine rein rhetorische Frage, denn ich war mit Adrian einer Meinung. Allein die Vorstellung war absurd.
    »Sie haben sich danach erkundigt, wer ein Interesse am Tod der beiden haben könne.«
    »Das klingt nach Sommerloch bei der Polizei«, meinte ich aus tiefster Seele und nippte an meinem Rotwein.
    »Mutter und Hubert sind heute obduziert worden.«
    Ich stellte mein Glas so hart auf den Tisch, dass ich sekundenlang befürchtete, es würde zerbrechen. »Warum denn das?«, fragte ich.
    »Weil es wegen dieses anderen Fahrzeugs einen Anfangsverdacht gibt. Sie halten alles zwischen fahrlässiger Tötung und Mord für denkbar.«
    *
    Ohne Doktor Radolf wäre dieser Ort ein Ort des Schreckens für Gesa gewesen. Auf dem Flur begegneten ihr Gestalten, die sich wie Marionetten fortbewegten. Mit kleinen Schritten und starren Mienen. Das liege an den Medikamenten, hatte Doktor Radolf ihr erklärt. Es seien andere als die, die sie bekomme. Ihre dienten nur der Beruhigung. Sie hatte ihn angesehen und die Frage, die ihr auf der Zunge lag, in sich hineingefressen. Wenn sie sich nicht erinnerte – würde sie dann auch irgendwann diese anderen Tabletten bekommen? Würde sie schließlich eine von den Marionetten werden? Sie hatte Angst, so zu enden. So starr und abwesend. Deshalb wich sie ihnen aus, als hätten sie eine ansteckende Krankheit. Nur mit einer Drogensüchtigen, die etwa in ihrem Alter war, wechselte sie hin und wieder ein paar Worte. Nichts Persönliches, nur Beiläufiges – wie das Mittagessen geschmeckt hatte oder wie lang die Minuten sich zogen, bis es am Abend endlich das Schlafmittel gab.
    Vierzehn unendliche Tage war sie jetzt hier. Die meiste Zeit hatte sie damit zugebracht, auf die Uhr an der Wand zu starren, als könne sie dadurch den Zeiger zwingen, sich schneller zu bewegen. Damit sie schneller zurückkonnte zu ihrem Kind.
    Gesa klopfte an Doktor Radolfs Tür und öffnete sie, nachdem er herein gerufen hatte. Er stand am Fenster und drehte sich so langsam zu ihr um, als halte ihn etwas zurück. Vielleicht ein Bild, das er sich einzuprägen versuchte, oder ein Gedanke, den er bis zum Ende verfolgen wollte. Mit einer einladenden Geste bot er ihr einen Stuhl an. Kaum saß sie, warf er einen Blick in ihre Patientenakte. Am liebsten hätte Gesa die Blätter zerrissen, um die Fetzen zu etwas Neuem zusammenzusetzen. Etwas, das einen Sinn ergab. Und das nicht bedrohlich war.
    Der Arzt forschte in ihrem Gesicht. Dann stützte er das Kinn

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