Die Todesbotschaft
Siebzigsten zu fahren. Es war diese Gewissheit, noch viel Zeit zu haben – zahllose Gelegenheiten, um zusammenkommen zu können. Nicht nur diese Gewissheit hatte der Tod der beiden zerstört.
Nachdem ich mir einen Flug Berlin – München gebucht hatte, war ich zurück ins Bett gegangen. Erst hatte ich geglaubt, kein Auge zutun zu können, gegen Morgen war ich jedoch so fest eingeschlafen, dass ich den Wecker überhörte. Um halb neun schreckte ich hoch und war von einer Sekunde auf die andere hellwach. Ich stand auf, setzte einen Kaffee auf und ging unter die Dusche. Egal, was ich tat – immer wieder stiegen mir Tränen in die Augen.
In ein großes Badetuch gewickelt rief ich Richard Stahmer an und sagte unsere Verabredung ab. Ich müsse zu einer Beerdigung an den Tegernsee und wisse noch nicht genau, wann ich zurück sei. Ich würde mich bei ihm melden. Er klang sehr mitfühlend und meinte, ich solle mir keine Sorgen wegen meiner Arbeit machen. Seine Wand werde mir nicht davonlaufen.
Mein nächster Anruf galt Eva-Maria. Als ich ihr erzählte, was geschehen war, bot sie sofort ihre Hilfe an. Sie versprach, meine Blumen zu gießen und nach meiner Post zu sehen. Und wenn ich jemanden zum Reden bräuchte, solle ich sie anrufen – egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit.
Nachdem ich aufgelegt hatte, zog ich mich an, packte für die nächsten Tage eine Tasche, goss die Pflanzen in der Küche und auf dem Balkon und legte den Postkastenschlüssel für Eva-Maria auf den Küchentisch. Schließlich suchte ich in den Bücherregalen im Flur nach einem Buch, mit dem ich mich auf der Reise würde ablenken können. Bis mir bewusst wurde, dass es Unsinn war. So lud ich mir aus dem Internet Songs von Bob Dylan auf meinen iPod. Cornelia hatte ihn verehrt.
Als ich drei Stunden später im Flugzeug saß und unter mir die Alpen dahinglitten, dachte ich an die vielen Bergwanderungen, an denen auch Hubert und seine Mutter teilgenommen hatten.
BGS&R
– diese vier Buchstaben bedeuteten nicht nur eine Partnerschaft der Männer in der Detektei. Zumindest die ersten drei standen auch für eine Freundschaft zwischen den Müttern, die sich bei den Kindern fortgesetzt hatte. Der vierte der Partner, Tobias Rech, hatte keine Familie. Nichtsdestotrotz gehörte er dazu und wurde ganz selbstverständlich zu allen Festen eingeladen. Er machte sich jedoch häufig rar, was ihm aber niemand übelzunehmen schien. Wer ihn kannte, wusste, dass er ein ausgemachter Einzelgänger war.
Beim Landeanflug auf München sah ich aus dem Fenster. Meine Augen waren blind vor Tränen. Die Frau auf dem Nebenplatz drückte meine Hand und meinte, ich solle keine Angst haben, wir würden ganz bestimmt sicher landen. Dieser wunderbar sonnige Tag sei doch viel zu schön, um zu sterben.
Am Tag zuvor hatte die Sonne auch geschienen, aber sie hatte weder Hubert noch seine Mutter beschützen können. Ich nickte der Frau zu, trocknete meine Tränen und gab vor, erleichtert zu sein, als die Räder hart aufsetzten und der Pilot die Maschine abbremste.
Nachdem ich mir einen Leihwagen gemietet hatte, machte ich mich auf den Weg zum Tegernsee. Amelie hatte mir eine SMS geschickt, dass sie und Adrian vorübergehend zu seinem Vater gezogen seien, damit er nicht allein sei. Außerdem wollten sie ihm bei den Beerdigungsvorbereitungen helfen. Ich simste zurück, dass ich am Nachmittag dort vorbeikommen würde.
So blieb mir genügend Zeit für einen Abstecher nach Osterwarngau, wo Elly, meine ehemalige Kinderfrau, mit ihrem Mann lebte. Ich verließ die Autobahn an der Ausfahrt Holzkirchen und fädelte mich in den dichten Verkehr ein. Die Hauptstraße, die zum Tegernsee führte, war ein Nadelöhr, das die Autokolonnen häufig zum Stehen brachte. Aber ich hatte Glück und kam bis zum Abzweig nach Osterwarngau einigermaßen zügig voran. Von da an begegneten mir nur noch wenige Autos. Ich fuhr langsam und ließ meinen Blick über die hügelige Landschaft gleiten, an deren Horizont sich die Berge erhoben. Die Kühe auf den Weiden links und rechts der kleinen Landstraße hatten sich schattige Plätze unter den Bäumen gesucht und dösten in der drückenden Hitze vor sich hin.
Als ich ein paar Minuten später in die von Birken gesäumte Straße bog, hoffte ich, Elly würde zu Hause sein. Telefonisch hatte ich sie nicht erreichen können. Im Sommer verbrachte sie die meiste Zeit in ihrem Garten, der ihr ganzer Stolz war. Kurz bevor die Straße in einen Forstweg überging, wendete
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