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Die Todesbotschaft

Die Todesbotschaft

Titel: Die Todesbotschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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seinen Vater sterben zu sehen. Vielleicht war es aber auch einfach der Wunsch gewesen, gehen zu können, ohne dass jemand versuchte, ihn zu halten.
    Bis zu seinem Tod hatte Carl kaum noch gesprochen. Und wenn, dann nur, um Adrian zu versichern, dass er und sein Bruder das Beste seien, das er in seinem Leben vollbracht hätte. Und dass er sich wünsche, Adrian könne ihm eines Tages verzeihen.
    Wir blieben bis zum Morgengrauen. Während wir an Carls Bett saßen, kam es mir vor, als lösten wir uns damit gleichzeitig noch einmal von den vier Menschen, die ihm vorausgegangen waren. Ich stellte mir vor, ihre Seelen seien mit uns im Raum und holten ihn ab. Adrian konnte damit nichts anfangen. In seinen Augen löschte der Tod alles aus.
    Hand in Hand verließen wir die Klinik. Keiner von uns beiden nahm etwas von dem wahr, was um uns herum vorging. Wir fühlten uns betäubt, unfähig, den Schmerz an uns heranzulassen. Auf die eine oder andere Weise hätte er uns in die Knie gezwungen. So gaben wir uns Mühe, zu funktionieren, sprachen über das, was jetzt zu tun sei, und stellten voll bitteren Humors fest, dass sich nach vier Todesfällen eine gewisse Routine eingestellt hatte.
    Als wir schließlich Adrians Elternhaus in Holz betraten, drohte dessen Stille, uns zu überwältigen. Verloren blieben wir in der Halle stehen. Bis ich begann, unablässig zu reden. Wie unter Strom zählte ich Adrian eine Erinnerung nach der anderen auf, als habe er selbst nicht genug davon. Irgendwann schnitt er mir das Wort ab und bat mich, ihn einen Moment allein zu lassen.
    Ich verzog mich in die Küche und machte Frühstück. Selbst wenn keiner von uns beiden einen Bissen herunterbekommen würde, gab es immerhin diesen kleinen Teil einer Tagesstruktur, an der wir uns festhalten konnten. Nur nicht der Trauer nachgeben, nicht jetzt. Sie würde alles lähmen.
    »Seine Tasche ist weg«, sagte Adrian. Er stand im Türrahmen und sah mich an, als sei er auf dem Weg in die Küche einem Geist begegnet.
    »Welche Tasche?«
    »Mein Vater hatte eine Aktentasche, die er ständig mit sich herumgetragen hat. Am Abend bevor ich ihn ins Krankenhaus brachte, stand sie noch neben seinem Schreibtisch.«
    »Was bewahrt er denn darin auf?«, fragte ich.
    »Laptop und Unterlagen, die er immer in seiner Nähe wissen wollte.«
    »Vielleicht hat er sie weggeschlossen, als er merkte, dass es ihm nicht gutging.«
    »Zu dem Zeitpunkt saß er an seinem Laptop. Ich hatte ihn nach mir rufen hören und bin gleich in sein Arbeitszimmer gelaufen. Er bestand noch darauf, selbst den Laptop in seiner Tasche zu verstauen. Ich durfte nichts anrühren. Wir haben dann gemeinsam das Zimmer verlassen.«
    »Hat jemand einen Schlüssel zu eurem Haus?«
    »Keine Ahnung, wem mein Vater einen gegeben haben könnte«, meinte er tonlos.
    »Hast du die Alarmanlage eingeschaltet, als du ihn ins Krankenhaus gebracht hast?«
    Er schüttelte den Kopf. »Aber selbst bei ausgeschalteter Alarmanlage kommst du nur mit einem Schlüssel in dieses Haus.«
    »Ich dachte, Profis könnten so ziemlich jedes Schloss knacken, ohne Spuren zu hinterlassen.«
    »Diese nicht, mein Vater hat an allen Außentüren Bohrmuldenschlösser anbringen lassen. Es gibt nur eine Handvoll Leute in Deutschland, die solche Schlösser aufbekommen, ohne Spuren zu hinterlassen. Das sind angesehene Profis, die ihr Können wenn überhaupt in den Dienst von Sicherheitsunternehmen oder Behörden stellen. Kriminelle wirst du dort vergebens suchen.«
    »Hast du nachgesehen, ob jemand durch eines der Fenster eingestiegen ist?«
    »Hab ich. Wer immer die Tasche genommen hat, muss einen Schlüssel benutzt haben.«
    »Und die Kameras?«, fragte ich.
    Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. »Die Aufzeichnungen der letzten achtundvierzig Stunden sind gelöscht.«
    Ich versuchte, eine naheliegende Erklärung dafür zu finden. Vielleicht hatte das Gerät einfach gesponnen. Keine Technik funktionierte hundertprozentig. Oder vielleicht hatte Carl einen der Partner gebeten, die Tasche zu holen, damit sie sicher verwahrt blieb und uns nicht in die Hände fiel. All das war möglich. Ich weigerte mich, zu glauben, dass hier hochprofessionelle Einbrecher am Werk gewesen sein sollten.
    Die Türklingel ließ uns beide erschreckt zusammenzucken. Wir liefen in die Halle und blickten auf dem Monitor ins Gesicht meines Vaters. Ich schaute auf die Uhr: Um diese Zeit hätte er eigentlich im See schwimmen müssen.
    »Mein Beileid, Adrian«, sagte er, als er uns

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