Die Todesbotschaft
Vater hat sich in den vergangenen Wochen systematisch zugrunde gerichtet. Es ist nicht deine Schuld, dass es so weit gekommen ist. Und hier ist er jetzt in guten Händen, hörst du?«
Er zeigte keinerlei Reaktion, deshalb wusste ich nicht, ob ihn meine Worte erreicht hatten. »Hast du überhaupt schon etwas gegessen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
»Wenn du so weitermachst, klappst du irgendwann auch noch zusammen. Geh in die Cafeteria und trink wenigstens einen Tee. Ich bleibe so lange bei deinem Vater. Bitte!«
Adrian schluchzte so sehr, dass sein gesamter Körper davon ergriffen wurde. Ich lief um das Bett herum, ging in die Hocke und nahm seine Hand in meine. Er murmelte etwas, das ich erst verstand, als er es wiederholte.
»Was soll ich denn nur tun, Finja? Ich kann einfach nicht mehr. Es ist alles zu viel.«
Sanft strich ich über seinen Rücken. »Du hast alles getan, was in deiner Macht steht. Ohne dich wäre dein Vater schon viel eher zusammengebrochen.«
»Und wenn er jetzt stirbt?«
Dann hat irgendjemand dort draußen dafür gesorgt, dass du deine ganze Familie verloren hast, beantwortete ich die Frage im Stillen. »Dein Vater ist hier gut aufgehoben. Und ihm ist nicht damit gedient, wenn du schlappmachst. Also geh bitte und iss etwas!« Ich zog ihn vom Stuhl hoch und schob ihn zur Tür.
Nach einigem Zögern ging er schließlich hinaus. Ich setzte mich wieder und sah mich in dem Raum um, in dem zwei Intensiveinheiten belegt waren. Einerseits wirkte dieses Aufgebot an Apparaten erschreckend auf mich, andererseits empfand ich es als einen Segen, dass es im Notfall zur Verfügung stand. Als ich über Carls Hand strich, öffnete er die Augen und sah mich stumm an. In seinen Augenwinkeln sammelten sich Tränen, die schließlich über seine Wangen liefen und auf das Kopfkissen tropften. Sein Blick hatte nichts Flehendes wie der seines Sohnes, der Trost suchte. Carl schien sich auf einem völlig anderen Terrain zu bewegen – als habe er eine Grenze überschritten und sich zuvor von Wünschen befreit, auf deren Erfüllung er längst nicht mehr hoffen konnte.
»Du musst mir etwas versprechen, Finja.« Das Sprechen strengte ihn an. »Kümmere dich um Adrian, wenn ich nicht mehr da bin. Wenigstens für eine Weile, bis er sich von alldem erholt hat. Wirst du das tun?« Nach jedem Satz machte er eine Pause und holte Luft.
Ich erwiderte seinen Blick und nickte.
»Wir sind schuld, dass das geschehen ist. Wir hätten dafür büßen müssen. Nicht unsere Kinder. Nicht Cornelia.« Die feuchten Stellen auf seinem Kopfkissen schienen zu wachsen.
»Was habt ihr getan?«, fragte ich leise.
Er wandte den Kopf zum Fenster. »Wir haben das Boot aus dem Ruder laufen lassen. Keiner von uns ist auf die Idee gekommen, dass eines Tages Unschuldige dafür mit dem Leben bezahlen müssten.« Sein Atem ging stoßweise, sekundenlang schloss er die Augen. »Ihr müsst aufhören, Fragen zu stellen. Versprich mir das, Finja. Zu wissen, warum all das geschehen ist, bringt niemanden zurück.«
»Wenn ihr wisst, wer das getan hat, warum legt ihr dann bei der Polizei nicht die Karten auf den Tisch? Ich verstehe das nicht, Carl.«
Er packte meine Hand und versuchte, sich daran hochzuziehen, gab jedoch schnell auf. »Wir haben einen fürchterlichen Fehler begangen.«
»Was für einen Fehler?«
Er drehte den Kopf zur Seite und schwieg minutenlang, während nur ein Röcheln zu hören war. »Cornelia und meinen Kindern habe ich oft von den Anfängen von
BGS&R
vorgeschwärmt. Sie sollten stolz auf mich sein, ganz besonders meine Frau. Cornelia hat viel Anstand besessen. Erinnerst du dich noch an ihren Leitspruch? Wenn du eines Tages stirbst, sollst du dich für nichts schämen müssen in deinem Leben.« Er schien diesen Worten nachzulauschen, als hätte Cornelia sie ihm gerade ins Ohr geflüstert. »Ihr und den Kindern«, fuhr er fort, »habe ich immer die hehren Ziele beschrieben, die uns die Detektei hatten gründen lassen – wir wollten dem Recht zu seinem Recht verhelfen, berechtigte Interessen vertreten. Aber damit lässt sich längst nicht so viel Geld verdienen.« Wieder machte er eine Pause. »Merk dir eines, Finja, das ganz große Geld machst du nicht mit legalen Mitteln.«
»Sondern?«, fragte ich beklommen. Auf der Suche nach Erklärungen hatte ich so viele Fragen gestellt und mir kein einziges Mal Gedanken darüber gemacht, ob ich die Antworten überhaupt verkraften konnte. Tauchten jetzt die Geister
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