Die Todesbraut
willst ins Parlament?« fragte Curry erstaunt.
»Ja, warum nicht? Geld und Besitztümer habe ich mehr als genug, arbeiten muß ich also nicht. Folglich nehme ich seinen Platz ein, wenn mein Vater abtritt. Was hältst du davon?«
»Großartig«, sagte Curry und erhob sich. »Laß uns eine Kleinigkeit essen, dann erzählst du mir alles über den ›Bloody Sunday‹ und deine Heldentaten in Irland.«
»Schreckliches Geschäft«, stöhnte Lang, während sie die Bar verließen. »Im Hauptquartier des militärischen Geheimdienstes in Lisburn ist die Hölle los. Ich hörte, daß der Premierminister kurz davor ist, an die Decke zu gehen.«
»Interessant«, meinte Curry, als sie sich zum Essen setzten. »Erzähle mir mehr darüber.«
Currys Kontaktmann war ein Major der GRU namens Yuri Belov, der als Kulturattaché an der russischen Botschaft auftrat. Curry hatte sich mit ihm in einem Pub gegenüber den Kensington Park Gardens und der sowjetischen Botschaft verabredet.
Belov war Mitte Dreißig und genoß das Leben in London in vollen Zügen. Er verspürte keinerlei Lust, zurück nach Moskau versetzt zu werden, weshalb er sich bemühte, vor seinen Vorgesetzten in der Heimat eine gute Figur zu machen. Und Currys Version des »Bloody Sunday«, sein Bericht über die Methoden der sensorischen Deprivation, die im Armeehauptquartier in Lisburn verwendet wurden, um inhaftierten IRAHäftlingen den Willen zu brechen, war der ideale Stoff, sich in seinen Berichten gut zu machen.
»Exzellent, Tom«, sagte er, als Curry geendet hatte. »Natürlich ahnt Ihr Freund nicht, daß Sie ihn aushorchten?«
»Keineswegs«, entgegnete Curry. »Er kennt meine politische Einstellung seit unserer Zeit in Cambridge, aber er ist ein britischer Aristokrat. Nichts könnte ihn weniger interessieren.« Curry zündete sich eine Zigarette an. »Und er ist mein bester Freund, Yuri, nur daß das klar ist.«
»Selbstverständlich, Tom, ich verstehe. Nichtsdestoweniger, alles was Sie von ihm in Erfahrung bringen können, dürfte von größter Nützlichkeit sein.«
»Er beabsichtigt, der Armee in naher Zukunft den Rücken zu kehren«, fuhr Curry fort. »Sein Vater hat einen Ministerposten im Innenministerium. Wenn sein Vater zurücktritt, möchte Rupert seine Nachfolge antreten.«
»Tatsächlich?« Yuri Belov lächelte süffisant. »Ein Parla mentsabgeordneter. Das ist nun wirklich interessant.«
»Da wir gerade von interessanten Dingen sprechen«, fuhr Curry fort, »wie steht es mit mir? Dies ist das erste Mal in neun Monaten, daß wir uns sprechen, und ich war es der die Initiative ergriff. Mir wäre nach etwas mehr Action zumute.«
»Nur Geduld«, tröstete ihn Belov. »Sie sind ein ›Schläfer‹, das bedeutet, daß man warten können muß, manchmal sogar viele Jahre lang, bis die Zeit kommt, wo man gebraucht wird.«
»Verdammt langweilige Aussichten.«
»Nun, Spionage ist größtenteils langweilig, aber schließlich haben Sie ja noch Ihre Arbeit.« Belov stand auf. »Ich hoffe, Sie bald wiederzusehen, Tom.«
Diese Hoffnung sollte nicht in Erfüllung gehen. Bis sie sich wiedersahen, waren vierzehn Jahre vergangen. Belov war inzwischen doch nach Moskau zurückversetzt worden, Curry war nach Amerika gegangen, hatte fünf Jahre in Harvard und danach vier in Yale verbracht, bevor er nach Hause zurückkehrte und Fellow am Trinity College in Cambridge wurde.
Rupert Langs Vater war noch während seiner Amtszeit gestorben, worauf Lang umgehend die Armee verlassen hatte und für einen Sitz im Parlament kandidierte. Er gewann mit rekordverdächtiger Mehrheit. Er und Curry standen sich so nah wie eh und je. Lang verbrachte häufig seinen Urlaub in Amerika, und wann immer Curry in London weilte, wohnte er in Längs wundervollem Stadthaus am Dean Court in der Nähe der Westminister Abbey, lediglich ein paar Schritte vom Parlament entfernt.
1985 wurde Curry Professor für Politologie an der Universität in London und Gastprofessor an der Queen’s University in Belfast. Seine Mutter war bereits vor einigen Jahren verstorben, er hatte seine Freundschaft mit Lang, seine Arbeit und gehörte aufgrund seines akademischen Ansehens einer Reihe von wichtigen Regierungsausschüssen an. Yuri Belov gehörte der Vergangenheit an, fast war es, als hätte es ihn nie gegeben. Da erhielt Curry eines Tages einen Anruf in seinem Büro in der Universität.
Belov war etwas beleibter geworden und hatte
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