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Die Todesbraut

Die Todesbraut

Titel: Die Todesbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Filmindustrie lehnte sie ab, nahm nur gelegentlich eine Fernsehrolle an und ging an das National Theatre.
      Geld war kein Thema, darum kümmerte sich schon Tante Martha, die auf die Erfolge ihrer Nichte mehr als stolz war. Sie war der einzige Mensch, dessen Liebe Grace akzeptierte und die sie auch leidenschaftlich erwiderte. Während des letzten, schrecklichen Lebensjahres ihrer Tante, als die alte Dame an schwerer Leukämie litt, lehnte Grace jegliches Engagement ab.
      Gegen Ende kam Martha nach Hause, um in ihrem eigenen Bett zu sterben, von wo aus sie den Blick über die Themse genießen konnte. Sie hatte jede erdenkliche medizinische Unterstützung, aber Grace kümmerte sich mit Hingabe um all die persönlichen Bedürfnisse der Kranken.
      An ihrem letzten Abend regnete es, schwere Tropfen klopften an die Fenster. Grace hielt die Hand ihrer Tante, und Martha, ausgezehrt und geschwächt, öffnete die Augen und sah sie an.
      »Jetzt gehst du zurück, versprich es mir, und zeigst ihnen, was es bedeutet, eine Schauspielerin zu sein. Du hast es in dir, meine Liebe. Versprich es mir.«
      »Das werde ich«, flüsterte Grace.
      »Keine Tränen, keine Trauer. Eine gediegene Beerdigung, um zu zeigen, wie wertvoll wir einander waren.« Martha brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ich sagte es dir nie, Grace, aber dein Vater glaubte fest daran, daß die Familie mit
    Robert Browning verwandt ist.«
    »Dem Dichter?« fragte Grace erstaunt.
      »Ja. In einem seiner großen Gedichte gibt es eine bestimmte Zeile, in dem er andeutet, daß wir ein großes Interesse an den gefahrvollen Aspekten unseres Daseins haben. Ich weiß nicht, warum, aber mir scheint sie perfekt auf dich zuzutreffen.«
      Daraufhin schloß sie die Augen, und wenige Minuten später starb sie.
      Grace war nun reich, das Haus am Cheyne Walk gehörte ihr, und die Welt des Theaters lag ihr zu Füßen. Aber sie ließ sich von niemandem halten oder beeinflussen. Ihr Reichtum ermöglichte ihr ein Leben nach ihren eigenen Regeln. Sie kehrte mit einer Rolle in Schau zurück im Zorn bei einer obskuren Repertoiretruppe in einer kleinen Küstenstadt im Süden zurück. In Scharen reisten die Kritiker aus London an und äußerten sich ekstatisch. Danach übernahm sie eine Reihe ähnlicher Rollen an diversen Provinztheatern und kehrte schließlich an das National Theatre zurück. Dort spielte sie in Turgenjews Ein Monat auf dem Lande.
      Grace verabscheute langfristige Verträge, widersetzte sich allen Bindungen. Sie folgte ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten. Interessierte sie aber eine Rolle, dann spielte sie diese, sogar wenn sie dafür für vier Wochen an ein unbedeutendes Stadttheater im Herzen von Lancashire mußte oder an ein Londoner Stadtrandtheater, wie das King’s Head oder das Old Red Lion. Das Publikum lag ihr allerorten gleichermaßen zu Füßen und liebte sie.
      Liebe im Privatleben, das war eine andere Geschichte. Es gab Männer, sicherlich, wenn sie dazu in Stimmung war, aber keiner konnte sie je erregen. In den Herrenkreisen der Theaterwelt war sie unter dem Namen Eiskönigin bekannt. Sie wußte das, aber es rührte sie nicht im mindesten, amüsierte sie höchstens, und das einer guten Schauspielerin eigene Talent zur Rollenanalyse sagte ihr, wenn sie Männern überhaupt ein Gefühl entgegenbrachte, war es wohl ein gewisses Gefühl der Geringschätzung.
      Im Oktober 1992 spielte sie in ihrem Lieblingstheater, im Minerva Studio in Chinchester, in Brendan Behans Stück Die Geisel. Es hatte eine kurze Laufzeit, aber das Interesse an diesem irischsten aller Stücke war so groß, daß die Truppe für zwei Wochen an das Lyric Theatre in Belfast engagiert wurde. Grace sollte zu diesem Zeitpunkt eigentlich am National Theatre mit den Proben für Ein Wintermärchen beginnen.
      Der Regisseur von Die Geisel kam ziemlich beklommen in ihre Garderobe.
      »Das Lyric in Belfast will uns für zwei Wochen engagie ren, aber natürlich werde ich absagen müssen. Sie müssen ja am Montag bereits mit den Proben am National beginnen.«
      »Belfast?« sagte sie. »Ich war noch nie dort. Hört sich gut an.«
      »Aber das National Theatre?« fragte er.
      »Oh, die können das Stück noch ein paar Wochen auf Eis legen.« Sie zeigte ihr berühmtes Lächeln, das ausschließlich ihm gewidmet schien. »Oder sie besetzen die Rolle eben mit jemand anderem.«

      Grace verwöhnte sich, indem sie in Belfast im Europa Hotel abstieg. Sie

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