Die Todesbraut
Rupert, ich wollte die Spuren verwischen.«
»Na ja, aber du hattest die Chance, ihn zu erschießen, und hast es nicht getan.«
»Wäre Dillon jetzt tot, mein Schatz, hätte doch niemand erfahren, daß die Attentäterin eine Moslime, genauer gesagt, eine Pakistanerin war. Diese Bernstein war viel zu weit entfernt, um überhaupt eine Aussage machen zu können.«
»Aber laut Fergusons Bericht sah dich der alte Priester, als du an der Kirche vorbeiliefst?«
»Ja, aber das war reiner Zufall, Rupert. Ich konnte doch nicht ahnen, daß ich den Priester treffen würde, als ich Dillon zurief.«
»Das ist logisch«, mischte sich Belov ein. »Aber diese Grußgeste, die war vielle icht etwas zu theatralisch.«
»Na, wenn schon«, bemerkte Grace leichthin.
»Wie auch immer«, meinte Lang. »Jedenfalls ordnete der Premierminister an, Ferguson solle seine Nachforschungen in bezug auf den ›30. Januar‹ intensivieren. Er soll alle bestehenden Akten noch einmal durchforsten und den Computer mit sämtlichen verfügbaren Details füttern. Major forderte Carter zu ähnlichen Maßnahmen auf.«
»Dennoch besteht meiner Meinung nach kein Grund zur Sorge«, erklärte Belov. »Die alte Geschichte. Sie versuchten es doch schon einmal und kamen auf keinen grünen Zweig.«
»Der Ansicht bin ich auch«, bemerkte Tom Curry.
Lang zuckte mit den Achseln. »Wenn ihr meint.«
Belov fragte: »Gibt es sonst noch etwas?«
»In der Tat«, grinste Lang. »Das Beste hob ich bis zum Schluß auf. Der Premierminister fliegt morgen klammheimlich nach Washington. Dort stößt der irische Premierminister zu ihm.«
»Und der Zweck des Treffens?«
»Sie diskutieren die abschließenden Verhandlungen, die dazu führen sollen, daß Sinn Fein die IRA davon überzeugt, eine Art Waffenstillstand auszurufen. Ihr wißt, was das bedeutet. Kommt alle an den Friedenstisch, alles vergeben und verziehen. In vierundzwanzig Stunden will der Premier wieder zurück sein.«
»Das ist interessant«, meinte Belov. »Halten Sie mich in dieser Angelegenheit auf dem laufenden, Rupert.« Damit erhob er sich. »Wir sollten uns nun verabschieden, Grace, Sie haben sich Ihren Schlaf heute mehr als verdient.«
Sie nickte. »Ja, ich bin müde, es war doch eine anstrengende Nacht.«
Grace brachte die Herren an die Tür und gab ihnen ihre Mäntel. Rupert küßte sie auf die Wange. »Wie wär’s mit einem schönen Mittagessen morgen? Würde dir das Caprice gefallen?«
»Wundervoll.«
»Ohne mich, fürchte ich«, sagte Belov. »Wäre zu auffällig.«
»Ich komme«, nickte Curry. »Mit mir könnt ihr rechnen.«
Die drei Herren standen noch einen Moment lang auf dem Bürgersteig, während sie darauf warteten, daß Belov seinen Taschenschirm aufspannte. »Ich nehme mir an der Albert Bridge ein Taxi«, verkündete er. »Und Sie?«
»Wir gehen in die andere Richtung. Bis Dean Close ist es ja nicht allzu weit.«
Zögernd blieb Belov stehen. »Schade, daß sie das getan hat, ich meine, Dillon derart auf sich aufmerksam zu machen. Weshalb zum Teufel mußte sie den Arm zum Gruß heben?«
»Ein Krieger, der seinem Gegner Anerkennung zollt«, meinte Curry achselzuckend.
»Ich mache mir jedenfalls Sorgen«, meinte Belov. »Etwas derart Unvernünftiges zu tun! Um ehrlich zu sein, es riecht mir fast nach beginnendem Wahnsinn.«
»Nun, sie hat uns niemals gesunden Menschenverstand garantiert, alter Knabe«, sagte Lang. »Sie spielt eine Rolle. Für Grace ist das Ganze nur Theater, ein aufregendes Spiel. Das ist alles. Und damit müssen wir uns eben abfinden.«
»Ich verstehe, was Sie meinen, trotzdem …« Er zuckte mit den Schultern. »Na, ich gehe jetzt besser nach Hause.«
Damit trennten sie sich und gingen in entgegengesetzten Richtungen auseinander. Grace hatte sie durch den Schlitz ihrer Schlafzimmervorhänge beobachtet. Nun drehte sie sich um und ging durch die beruhigende Dunkelheit zu ihrem Bett. Eine Sekunde wieder der Schattenmann, die Waffe im Anschlag. Lächelnd glitt sie in den Schlaf.
»Aber warum hat sie Sie nicht erschossen?« fragte Hannah Bernstein.
Es war am folgenden Morgen, und sie und Dillon arbeiteten in einem kleinen Nebenraum von Fergusons Büro im Verteidigungsministerium.
»Versuchen Sie es doch mal damit«, warf Ferguson ein, der gerade in der Tür erschienen war. »Die meisten Mörder konzentrieren sich ausschließlich auf ihr
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