Die Todesgöttin
näherte, weil sie aus dem Hintergrund der Tempelhalle heranschritt. Erst als sie vor der Figur stand, erkannten wir sie.
Es war der Köpfer!
Er lachte, als er uns sah. Seine Augen leuchteten, und auch die Tätowierung auf seiner Brust strahlte in einem düsteren Feuer. »Darauf habe ich gewartet«, sagte er. »Ich wusste, dass ihr kommen würdet und habe euch gebührend empfangen. Die Totendiener der Kali habt ihr vernichten können, es war nicht schwer, das gebe ich zu, aber jetzt, wo die Göttin euch selbst hat, seid ihr verloren.« Er lachte laut und wild. Das Echo schwang durch die Höhle, und im nächsten Augenblick fiel er vor der Göttin auf die Knie.
»Zeig dich, Kali. Zeige ihnen, den Frevlern, dein wahres Gesicht, dessen Anblick allein einen Menschen wahnsinnig machen kann!«
Und Kali gehorchte.
Sie verwandelte sich. Wie von Zauberhand weggewischt, verschwand die goldene Farbe auf ihrem Körper. Sie schuf Platz für ihr wahres grausames Aussehen.
Schwarz wie die Nacht wurde die Haut. Wir sahen das große, hässliche, boshafte Gesicht, die wirren, dunklen Haare, in denen das klebrige Blut verteilt war, und ich sah plötzlich das Blut an meinem und an den Körpern meiner Freunde herabrinnen, weil die Göttin ebenfalls blutige Handflächen aufwies.
Auch von der makaberen Kette verschwand die goldene Farbe. Wir sahen die Köpfe, wie sie wirklich waren.
Blasse Gesichter, manche mit Stockflecken versehen, wie sie Leichen zeigen, aufgedunsene Haut, aber was das schlimmste war: Die Köpfe lebten.
Sie rollten mit den Augen, Münder öffneten sich, ich sah lappige Zungen, dunkle Rachen, und wenn ich meinen Blick hob und in das Gesicht der Todesgöttin schaute, erkannte ich in dem Schwarz das Rot der beiden glühenden Augen.
Kali existierte und lebte tatsächlich! Sie war nicht nur eine Einbildung ihrer Diener, kein Märchen, wir sahen sie vor uns und befanden uns zudem in ihrer Gewalt.
Sabra schaute der Verwandlung zu. Er kniete noch immer und beugte seinen Oberkörper so weit vor, dass er mit der Stirn den Boden berühren konnte. In dieser Demutshaltung blieb er auch, bis die Verwandlung vollständig abgeschlossen war.
Kali öffnete ihr Maul.
Schwaden, grün und wie dichter Dampf wirkend, drangen daraus hervor.
Zum Glück hüllten sie uns nicht ein, sondern stiegen der Decke entgegen, wo sie sich verteilten.
Sabra stand auf. Er hatte sein Schwert gezogen und schwang es wild im Kreis. Dabei hatte ich Angst um Bill Conolly, denn die Spitze der Klinge wischte sehr nahe an seinem Gesicht vorbei.
»Kali, Göttin des Todes, der Nacht und der Finsternis!« schrie Sabra.
»Ich habe dir diese Männer gebracht, weil sie nicht an dich glauben. Sie sind Frevler, Menschen, die dich töten wollen und ächten. Jetzt befinden sie sich in deiner Gewalt. Und ich, Sabra, werde mich an ihnen rächen. Ich schlage ihnen die Köpfe ab, damit wir deine Kette noch erweitern können. Drei neue Köpfe werden dich noch stärker machen und auf der Leiter der hohen Dämonen ganz nach oben bringen. Denn diese drei sind Erzfeinde. Man wird dir danken, deine Macht wird wachsen und sich auf der gesamten Welt verbreiten. Die Menschen werden wieder flüsternd und angsterfüllt deinen Namen aussprechen. Diese Fremden haben Diener von dir getötet, nun bist du an der Reihe, dich zu rächen. Ich werde dir ihre Köpfe zu Füßen legen. Ich werde…«
Er sprach plötzlich nicht mehr weiter. Vorher hatte er bewusst in unserer Heimatsprache geredet, damit wir ihn auch verstanden, aber nun war er verstummt.
Er duckte sich dabei, als hätte ihn jemand geschlagen, und drehte sich dann langsam herum.
Was war geschehen?
Schleichend ging Sabra ein paar Schritte nach vorn, bis er den Ausgang dieser Tempelhalle erreicht hatte, schaute um die Ecke und lauschte gleichzeitig.
Sekunden verstrichen. Es wurde still, und auch von uns wagte niemand, ein Wort zu sagen. Dann schnellte Sabra herum, und er deutete auf uns.
»Sie bekommen Hilfe«, sagte er. »Der vierte Mann dringt in den Tempel ein!«
Himmel, das konnte nur Suko sein! Hoffnung erfasste mich, auch Mandra Korab und Bill erlebten dieses Gefühl Sollte es Suko wirklich geschafft und das Unmögliche wahr gemacht haben?
Alles deutete darauf hin. Und Sabra würde versuchen, ihn zu töten.
Da musste er sich warm anziehen, denn der Chinese war nicht so ohne weiteres zu besiegen.
Ich sah die Welt und meine Lage auf einmal mit völlig anderen Augen.
Brutal wurde unsere Hoffnung zerstört, denn
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