Die Todesgruft von Bally Moran
zurückgingen, griff der Professor noch einmal das Thema der Briefe auf. Er haderte mit sich, daß er so etwas Wichtiges bei seinen Nachforschungen übersehen hatte.
»Aber ich habe sie auch nur durch Zufall gefunden«, versuchte Peggy ihn zu trösten. »Abgesehen davon, Professor, glaube ich nach wie vor nicht an Gespenster. Aber es gibt sicherlich Orte, die mit ihrer düsteren Atmosphäre einen Menschen stark beeinflussen können. Dieses Schloß ist ohne Zweifel entsetzlich deprimierend.« Sie blickte Jesse rasch von der Seite an, aber diese schien in Gedanken weit weg zu sein. »Jesse war recht krank gewesen, sie stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch, bevor wir hierherkamen. In diesem Zustand ist man natürlich übersensibel und läßt sich noch leichter von seiner Umgebung beeindrucken.«
Der Professor blieb stehen und sah sie stirnrunzelnd an. »Und was ist mit all den anderen, die die gleichen unheilvollen Erscheinungen wahrgenommen haben?«
»Ich habe den Einwand erwartet. Aber vielleicht haben auch die übersehen, daß es ganz natürliche Dinge waren, die ihnen Furcht einjagten. Zum Beispiel der Wind«, überlegte sie und blickte ihn hoffnungsvoll an. »Oder ein kalter Luftstrom, der aus dem Untergrund durch das alte Gemäuer drang. Und so kann es noch eine Menge anderer einfacher Erklärungen geben.«
»Selbstverständlich. Aber dann muß Ihnen Ihr Verstand sagen, daß jeder der Bewohner diese Dinge bemerkt haben müßte und nicht nur eine ganz bestimmte Gruppe.. .Still!« Er horchte in Richtung Schloßtor. »Das muß Molly Mullins sein«, sagte er und fügte trocken hinzu: »Mal sehen, was wir jetzt wieder zu hören kriegen.«
»Martin Mulcahy, ich weiß schon, daß ich Sie hier finde!« hörten sie Molly rufen, noch bevor sie schnaufend und mit puterrotem Gesicht durch den Torgang geeilt kam.
»Verflixtes Weib!« schimpfte der Professor. Aber so leise, daß Molly ihn nicht hören konnte. »Sie spürt mich doch überall auf. Aber wer ist denn da bei ihr?« Er starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den Mann, der ein Fahrrad schiebend neben Molly auf sie zukam.
»Ja, das ist doch Andrew Quigley!« Peggy freute sich, denn sie wollte zu gern noch mehr über Amarna hören.
Peggy und Jesse begrüßten Mr. Quigley mit viel Herzlichkeit; der warme Empfang entlockte dem schüchternen Mann ein scheues Lächeln. Molly fiel währenddessen mit ihrem ganzen aufgestauten Ärger über den Professor her.
»Sie sind mir vielleicht einer«, keifte sie. »Fahren bequem in meinem Wagen hierher und lassen mich den ganzen Weg zu Fuß laufen.«
»Das ist nur gesund für Sie, meine Gute.« Er kicherte boshaft, trat aber im gleichen Augenblick auf sie zu, legte ihr eine Hand unter den Ellbogen und führte sie galant ins Schloß. »Was führt Sie denn mal wieder nach Conig, Andrew?« fragte er über die Schulter zurück.
»Ich mache Ferien. Wir graben diesen Sommer nicht.«
Der Professor nickte. »Stimmt ja, Sie haben irgendwo in Ägypten herumgebuddelt, und Patrick Shaw hat Ihnen auch noch das Geld dazugegeben.« »Aber Professor!« Peggy war entsetzt, daß er als Wissenschaftler so geringschätzig von archäologischen Ausgrabungen sprach.
Jesses Gesicht hatte sich bei der Ankunft der neuen Gäste ein wenig aufgehellt, und sie lud Andrew Quigley ein, doch auch zum Abendessen zu bleiben.
Zu Peggys Überraschung entpuppte sich Molly als ausgezeichnete Köchin. Sie war ihnen in die Küche vorausgeeilt und klapperte bereits eifrig mit Töpfen und Pfannen herum, als die anderen eintraten, um es sich an dem großen Mitteltisch gemütlich zu machen.
Der Professor vertiefte sich in Gerard St. Mores Briefe, die Peggy geholt hatte, und war eine Zeitlang nicht ansprechbar.
»Und jetzt müssen Sie uns ein bißchen mehr über Amarna erzählen, Mr. Quigley«, bat Peggy und beugte sich gespannt vor.
»Aber Peggy«, Jesse zwang sich zu einem Lächeln, um die nachfolgenden Worte zu mildern, »es macht doch nicht jedem Spaß, dauernd über Geschichte zu sprechen.«
Peggy wollte erwidern, daß es Mr. Quigley ganz bestimmt genausoviel Freude machte wie ihr, aber Jesse ließ ihr keine Zeit dazu. »Wenn Sie in Conig aufgewachsen sind, Mr. Quigley«, fuhr sie fort, »dann müssen Sie doch etwas über Bally Moran wissen.« Peggy seufzte heimlich; jetzt würden sie mit weiteren Gespenstergeschichten gefüttert werden.
»Ich kann Ihnen nicht mehr erzählen, als allgemein bekannt ist.
Ich erinnere mich natürlich an alle möglichen
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