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Die Todesgruft von Bally Moran

Die Todesgruft von Bally Moran

Titel: Die Todesgruft von Bally Moran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Nuelle
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sich ihm zögernd. Das Lämpchen stand unmittelbar vor dem Kamin. Sie hatte Lust, es zu berühren, um sich von seiner Echtheit zu überzeugen. Aber es gab eigentlich keinen Zweifel, die Flamme flackerte sehr realistisch. Ein Seufzer von Jesse riß Peggy aus ihrem Schock. Jesse durfte es auf keinen Fall sehen. Sie würde vielleicht sofort wieder einen dieser entsetzlichen Zustände bekommen.
    Peggy schnappte das Lämpchen, blies die Flamme aus, schloß leise die Tür zur Galerie auf und trug es in die Küche hinunter. Während sie den Kaffee filterte und das Ei in der Pfanne briet, schwirrten ihr die unsinnigsten Gedanken durch den Kopf. Am vergangenen Abend, als Dan sich von ihr verabschiedet hatte, war doch ein wenig von seinem Selbstvertrauen, seiner Sicherheit in ihr zurückgeblieben.
    Aber die Erlebnisse der Nacht hatten nichts davon übriggelassen. Merkwürdig, aber man konnte fast meinen, daß seine praktische, frische Art alles Unheimliche verjagte. Für ihn waren die Toten tot, und die Welt gehörte den Lebenden. Aber er hatte auch noch keine Nacht im Schloß verbringen müssen. Insgeheim sehnte sie sich nach seiner Gegenwart, und den Professor hätte sie auch gern hier. Sie hätte ihm sofort von ihrem Schlafwandel und den grauenvollen Schreien auf der Treppe erzählen sollen. Er und Dan würden bestimmt zu helfen wissen, auch wenn die beiden Männer in ihrer Lebenseinstellung grundverschieden waren.
    Ihr Blick fiel auf das Lämpchen, das sie auf das Abtropfbrett der Spüle gestellt hatte. Mit diesem Ding hatte sie etwas Konkretes; etwas, das Dan nicht als Spuk abschieben konnte. Aber wie war seine Existenz zu erklären? Sie starrte es böse an und hätte es in ihrer Wut und Hilflosigkeit am liebsten auf den Boden geworfen, um darauf herumzutrampeln, um es zu zerstören – das Lämpchen und alles Unheimliche, das sie nicht greifen konnte. In ihrem Zorn klammerte sie sich an die Kante des Herdes und stieß dabei gegen die heiße Platte. Der plötzliche Schmerz ernüchterte sie. Ich benehme mich richtig kindisch, schimpfte sie mit sich und richtete schnell das Tablett mit den Frühstückssachen.
    Sie eilte damit die Treppe hinauf, mußte aber feststellen, daß Jesse noch fest schlief. Um sie nicht zu wecken, lief sie wieder in die Küche hinunter und aß das Spiegelei selbst auf. Während sie sich die zweite Tasse Kaffee eingoß, streifte ihr Blick von neuem das Öllämpchen. Sie konnte es unmöglich in der Küche stehen lassen, Jesse würde sie sofort deshalb ausfragen. Die Tasse Kaffee in der einen, das Lämpchen in der anderen Hand durchquerte sie die Halle und trat in das viktorianische Zimmer. Sie waren nur ein einziges Mal hier gewesen, und Jesse würde sich bestimmt nicht mehr an jeden Gegenstand erinnern. Das Lämpchen würde ihr also in diesem Raum überhaupt nicht auffallen.
    Die vielen Nippessachen und die schweren, verschnörkelten Nußbaummöbel ließen das Zimmer ziemlich überladen erscheinen. Peggy gefiel dieser Stil ganz und gar nicht. Das einzige, was vielleicht ihr Interesse weckte, waren die Ölgemälde an zwei der riesigen Wände. Ohne die Tasse abzusetzen, trat sie etwas näher, um sie zu betrachten. Professor Mulcahy hatte schon erwähnt, daß es zum größten Teil Familienporträts wären. Aber zu ihrer Überraschung waren es nur vier Porträts. Sie hatte eigentlich eine ganze Reihe von ehrwürdigen Vorfahren erwartet. Da war das Bild eines jungen Mannes in einem Wams und den kurzen Pumphosen, die sofort die elisabethanische Zeit erkennen ließen. Ein anderes, wohl das jüngste in der Reihe, zeigte einen muffig dreinblickenden Mann mit einem protzigen Degen am Gürtel. Es stammte vermutlich aus derselben Zeit wie das Zimmer. Die anderen zwei mußten aus dem späten achtzehnten Jahrhundert stammen. Es waren eine ältere Frau und ein junger Mann. Dann mußte das Gerard St. More sein, dachte Peggy und beugte sich vor, um sich das Gesicht des Mannes näher anzusehen. Das Porträt war großartig gemalt. Die Hautfarbe war so ausgezeichnet getroffen, daß der junge Mann in dem dämmrigen Zimmer fast lebendig wirkte. Die dunklen Augen schienen unmittelbar auf sie gerichtet. Doch das Gesicht überraschte sie. Sie hatte einen hübschen Schwächling erwartet, und nun blickte sie in ein wohl attraktives Gesicht, aber in den dunklen feurigen Augen und an dem energischen Kinn konnte sie absolut nichts Schwächliches entdecken. Aber es war Gerard St. More; sie konnte den Namen auf einer

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