Die Todesliste
überschwenglichen Begrüßungsfloskeln und kam dann zum Kern der Nachricht. Als er schwieg, starrte der alte Sacad ihn eine Weile am.
»Er will ihn umbringen? Ihm die Kehle durchschneiden? Vor der Kamera? Und es dann der Welt zeigen?«
»Jawohl, Scheich.«
»Und mir bezahlt er eine Million Dollar? In bar?«
»Jawohl, Scheich.«
Al-Afrit dachte darüber nach. Den weißen Ungläubigen umzubringen, das verstand er. Aber der westlichen Welt zu zeigen, was er getan hatte, das war Wahnsinn. Sie, die Ungläubigen, die kuffar , würden kommen und sich rächen, und sie hatten viele Gewehre. Er, al-Afrit, nahm ihre Schiffe und ihr Geld, doch er war nicht verrückt genug, um eine Blutfehde zwischen sich selbst und der gesamten kuffar -Welt zu entfesseln.
Schließlich entschied er, die Entscheidung aufzuschieben. Er ließ seine Gäste in Zimmer führen, in denen sie sich ausruhen konnten, und bot ihnen Essen und Wasser an. Als Dschamma weggebracht worden war, befahl er, keiner der beiden Männer dürfe die Schlüssel zu ihrem Wagen behalten, und auch keine Waffen, die sie vielleicht bei sich hatten, und kein Telefon. Er selbst trug einen krummen dschambija -Dolch in seiner Schärpe, hatte aber nicht gern andere Waffen in seiner Nähe.
Ali Abdi kam eine Stunde später von der Malmö zurück. Er hatte nicht gesehen, wie der Truck aus dem Norden ankam, und auch die beiden Männer nicht, von denen einer eine so bizarre Nachricht überbracht hatte.
Er kannte die vereinbarten Zeiten für seine Telefonate mit Gareth Evans. Weil London drei Zeitzonen weit westlich des Horns von Afrika lag, war es in Garacad spät am Vormittag, wenn sie stattfanden. Deshalb hatte er am nächsten Tag keinen Grund, sein Zimmer frühzeitig zu verlassen.
Er war nicht dabei, als al-Afrit kurz nach Tagesanbruch einen seiner engsten Vertrauten, einen einäugigen Wilden namens Yusuf, mit ausführlichen Anweisungen ausstattete, und er sah auch den Pick-up mit dem schwarzen Dach nicht, der eine Stunde später zum Hoftor hinausfuhr.
Gerüchtweise hatte Abdi von einem dschihadistischen Fanatiker gehört, der Predigten voller Aufforderungen zu Mordanschlägen und Hass ins World Wide Web hinausschickte, doch dass der Mann in Misskredit geraten war, hatte er nicht gehört, und er wusste auch nichts von dessen Onlinebeteuerungen, das Ganze sei eine Verschwörung der kuffar , und er sei schändlich diffamiert worden. Aber wie al-Afrit – wenn auch aus anderen Gründen – verachtete er Salafisten und Dschihadisten und alle anderen extremistischen Irren, und er praktizierte den Islam gerade so eifrig, wie es unbedingt nötig war.
Er war überrascht und erfreut, seinen Auftraggeber bei halbwegs guter Laune anzutreffen, als er zu ihrer morgendlichen Besprechung erschien. So konnte er es wagen, den Vorschlag zu machen, ihre Forderung von sieben auf sechs Millionen Dollar zu reduzieren und die Verhandlungen damit wohl zum Abschluss zu bringen. Der Clanchef war einverstanden.
Als Abdi mit Gareth Evans sprach, strahlte er große Selbstzufriedenheit aus. Er fühlte sich sehr versucht zu sagen: »Wir sind fast so weit«, aber ihm war klar, dass diese Bemerkung nur bedeuten konnte, sie beide arbeiteten heimlich gemeinsam auf einen längst verabredeten Preis hin. Bei sich dachte er: Noch eine Woche, vielleicht auch nur noch fünf Tage, und das Monster wird die Malmö fahren lassen.
Mit der zweiten Million, die seine Lebensersparnisse ergänzen würde, schimmerte ein komfortabler Ruhestand in einer zivilisierten Umgebung am Horizont.
Allmählich machte der Spürhund sich Sorgen. Um es in der Anglersprache auszudrücken: Er hatte einen Haken mit einem fetten Köder ins Wasser gehängt und wartete jetzt darauf, dass ein Monster anbiss. Doch der Schwimmer verharrte reglos an der Oberfläche. Er dümpelte nicht mal.
Von seinem Büro in der Botschaft hatte er eine Echtzeitverbindung zu dem Bunker bei Tampa, wo ein erfahrener Unteroffizier der Air Force schweigend dasaß, den Steuerknüppel in der Hand hielt und eine Global Hawk hoch über einem Gelände in Marka »flog«. Er sah, was der Master Sergeant sah: drei stille Häuser hinter einer Mauer an einer engen, vollgestopften Gasse, an deren Ende sich ein Obstmarkt befand.
Innerhalb der Mauern war kein Lebenszeichen zu entdecken. Niemand ging, niemand kam. Die Drohne schaute nicht nur zu, sie lauschte auch. Sie würde das leiseste elektronische Wispern hören, das aus der Anlage käme. Wenn dort auch nur ein paar
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