Die Todesliste
konnten. Etwa achtzig Prozent der Schiffe waren auf diese Weise geschützt. Die Drohnen, die aus Dschibuti kamen, konnten täglich 40 000 Quadratmeilen Meeresoberfläche überwachen. Die Kriegsschiffe der vier internationalen Flottillen wurden durch Hubschrauber unterstützt, die als Langstreckenaufklärer eingesetzt wurden, und die Piraten, die jetzt in größerer Zahl in Gefangenschaft gerieten, wurden mit internationaler Unterstützung einfach auf den Seychellen vor Gericht gestellt, verurteilt und inhaftiert. Ihre besten Tage waren vorüber.
Aber eine List klappte immer noch: das Mutterschiff. Die Shan-Lee 08 , wie sie jetzt hieß, war so eins. Sie konnte sehr viel länger auf hoher See bleiben als ein offenes Boot und hatte eine ungeheure Reichweite. Die schnellen Angriffsboote mit ihren Außenbordmotoren lagen unter Deck. Der Trawler sah unschuldig aus, doch die Schnellboote waren in Minutenschnelle an Deck geholt und zu Wasser gelassen.
Bei der Ausfahrt aus dem Roten Meer in den Golf von Aden hielt Kapitän Eklund sich penibel an den international empfohlenen Transitkorridor, der Frachtern auf der Fahrt durch den gefährlichen Golf von Aden maximale Sicherheit garantieren sollte.
Der Korridor führt parallel zur adenischen und omanischen Küste vom 45. bis zum 53. Längengrad ostwärts. Diese Route führt das Schiff vorbei an der Nordküste von Puntland, wo die Piratenhäfen anfangen, und weit über das Horn von Afrika hinaus. Schiffe, die vorhaben, die Südspitze Indiens zu umrunden, geraten auf diesem Weg zu weit nach Norden, ehe sie wieder auf Südkurs gehen können, um die lange Strecke quer durch den Indischen Ozean anzutreten. Aber auf dem gesamten Abschnitt sind zahlreiche Patrouillen der internationalen Seestreitkräfte unterwegs, die für Sicherheit sorgen.
Kapitän Eklund folgte dem vorgeschriebenen Kurs bis zum 53. Längengrad und ging dann, überzeugt davon, in Sicherheit zu sein, auf Kurs nach Indien. Die Drohnen konnten tatsächlich am Tag 40 000 Quadratmeilen der Meeresoberfläche beobachten, doch der Indische Ozean ist mehrere Millionen Quadratmeilen groß, und in dieser endlosen Weite kann ein Schiff verschwinden. Die Kriegsschiffe der NATO und der Europäischen Marinestreitkräfte (EU Navfor) ließen sich im Korridor dicht zusammenziehen, sind auf dem Ozean jedoch weit verstreut. Nur die Franzosen haben auf dem Indischen Ozean eine eigene Flotte, die sie A l’Indien nennen.
Der Kommandant der Malmö war davon überzeugt, dass es so weit im Osten keine Bedrohung von der somalischen Küste mehr gab. Am Tag und auch in der Nacht herrschte brütende Hitze.
Fast alle Schiffe, die diese Gewässer befahren, sind zu Hause von Ingenieuren mit einer inneren Festung ausgestattet worden, von innen gesichert durch Stahltüren und ausgerüstet mit genug Lebensmitteln und Wasser für mehrere Tage sowie Kojen und Toiletten. Zudem gibt es Systeme, mit denen sich die Maschinen von der Brückensteuerung abkoppeln lassen, sodass man sie und das Ruder von innen bedienen kann. Und schließlich kann man hier einen ständigen Notruf auslösen, der von der Mastspitze gesendet wird.
Wenn die Besatzung es schafft, sich rechtzeitig in dieser Zitadelle einzuschließen, kann sie auf Rettung warten und einigermaßen sicher sein, dass die auch kommt. Die Piraten haben zwar das Schiff in ihrer Gewalt, aber sie können es nicht steuern, und sie können der Crew nichts anhaben. Doch sie werden versuchen, in den Fluchtraum einzudringen. Die Crew kann nur hoffen, dass bald eine Fregatte oder ein Zerstörer aufkreuzt.
Aber als die Malmö südwärts an den Lakkadiven vorbeifuhr, lag die Crew in ihren doch komfortableren Kabinen und schlief. Sie sah und hörte nichts von den Schnellbooten, die über das Wasser heranjagten, und vom Klappern der Leitern am Heck, als die somalischen Piraten im Mondschein an Bord kamen. Der Steuermann gab Alarm, doch es war zu spät. Dunkle, flinke Gestalten mit Gewehren stürmten in die Aufbauten und zur Brücke hinauf. Fünf Minuten später war die Malmö gekapert.
Opal beobachtete das Tor des Lagerhausgeländes, als die Sonne unterging und der Pick-up herauskam. Derselbe wie beim letzten Mal, und er fuhr in dieselbe Richtung. Opal schwang sich auf sein Motorrad und folgte ihm bis zum Nordrand Kismajus, bis er sicher war, dass der Truck die Küstenstraße nach Marka nahm. Dann kehrte er in seine Hütte zurück, holte sein Radio aus dem Versteck im Boden. Seine Nachricht hatte er bereits
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