Die Todesliste
der Pole war in seinem Maschinenraum, der Kapitän schrieb eine E-Mail an seine Frau, und der Kadett Ove Carlsson büffelte seine Navigationslektionen.
Weit im Süden überflog ein fanatischer Dschihadist, erfüllt von Hass auf den Westen und alles, was er tat, die ausgedruckten Nachrichten, die er aus Kismaju bekommen hatte.
Und in einer Lehmziegelfestung in den Bergen hinter der Bucht von Garacad plante ein sadistischer Clanchef namens al-Afrit, der Teufel, ein Dutzend seiner jungen Männer allen Risiken zum Trotz wieder zur Beutejagd auf das Meer hinauszuschicken.
NEUN
Tatsächlich waren die Nachrichten von Dardari in London und vom Troll in Kismaju codiert, und der Code wurde entschlüsselt. Die beiden Männer kommunizierten scheinbar im Klartext, denn sowohl Government Communications in England als auch Fort Meade in den USA stehen eindeutig codierten Mitteilungen misstrauisch gegenüber.
Der kommerzielle und industrielle Verkehr im Cyberspace ist so gewaltig, dass er nicht gründlich kontrolliert werden kann. Daher hat das offensichtlich Verdächtige für beide Abhörzentralen Priorität. Da Somalia zu den hochverdächtigen Regionen zählte, würde man alles harmlos Aussehende zwar anschauen, aber nicht allen hoch spezialisierten Entschlüsselungstests un terziehen. Bis jetzt war der Verkehr zwischen London und Kismaju davongekommen, doch damit war jetzt Schluss.
Dem Anschein nach handelte es sich um die Korrespondenz zwischen dem Chef einer großen Lebensmittelfirma in London und seinem für die Rohstoffproduktion zuständigen Manager vor Ort. Was aus London kam, sah aus wie Anfragen zur lokalen Verfügbarkeit regional erzeugter Früchte, Gemüse und Gewürze und ihren Preisen, und aus Kismaju kamen die Antworten des Managers.
Der Schlüssel des Codes fand sich in den Preislisten. Cheltenham und Ariel kamen ungefähr gleichzeitig auf die Lösung. Es gab Diskrepanzen. Manchmal waren die Preise zu hoch, manchmal zu niedrig. Sie entsprachen nicht den echten Weltmarktpreisen für solche Produkte zur jeweiligen Jahreszeit. Manche Zahlen waren akkurat, andere unrealistisch. Die Zahlen der zweiten Kategorie entsprachen Buchstaben, die Buchstaben bildeten Wörter, die Wörter Nachrichten.
Die monatelange Korrespondenz zwischen einem vornehmen Townhouse im Londoner Westend und einem Lagerschuppen in Kismaju bewies, dass Mustafa Dardari der Außenkontakt des Predigers war. Er war Finanzier und Informant. Er beriet und warnte.
Er hatte technische Zeitschriften abonniert, die sich intensiv mit dem westlichen Denken zur Terrorismusbekämpfung befassten. Er studierte die Arbeit der Think Tanks zu diesem Thema und bezog technische Papers vom Royal United Services Institute, vom Internationalen Institut für Strategische Studien in London und von ihren amerikanischen Entsprechungen.
Aus den E-Mails an seinen Freund ging hervor, dass er auf gesellschaftlichem Level zu Gast am Tisch von Leuten war, die hohe Beamte, Militärs oder Sicherheitsdienstler sein konnten. Kurz gesagt, er war ein Spion. Hinter seiner urbanen, westlich gefärbten Fassade war er außerdem ein Salafist und extremistischer Dschihadist wie sein Kindheitsfreund in Somalia.
Ariel entdeckte noch etwas anderes. Es gab Tippfehler mit einzelnen Buchstaben in seinen Texten, aber sie erschienen nicht beliebig. Nur wenige nichtprofessionelle Schreiber schaffen es, lange Passagen zu tippen, ohne gelegentlich eine falsche Taste zu treffen und einen Buchstabenfehler zu produzieren. Für Journalisten und Autoren gibt es Korrektoren, die für solche Fehler zuständig sind. Aber vielen Amateuren sind sie gleichgültig, solange der Sinn klar bleibt.
Der Troll achtete auf so etwas, Dardari jedoch nicht, denn seine Tippfehler entstanden mit Absicht. Zwar kamen sie in jeder Mail nur ein- oder zweimal vor, traten allerdings in einem bestimmten Rhythmus auf – nicht immer an der gleichen Stelle, aber im Einklang mit denen in der vorigen Nachricht. Ariel vermutete, es seien Hinweise, kleine Signale, deren Fehlen den Leser darauf hinweisen sollten, dass der Schreiber bedroht oder der Computer von einem Feind benutzt wurde.
Was die Korrespondenz nicht bestätigte, waren zwei Dinge, die der Spürhund brauchte. Die Nachrichten richteten sich an »meinen Bruder«, doch das konnte auch die Anrede zwischen zwei Muslimen sein. Die Rede war von »unserem Freund«, aber niemals von Zulfikar Ali Schah oder von Abu Azzam. Und niemals wurde bestätigt, dass »unser Freund«
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