Die Todesliste
clever, aber jetzt brauchte er ihn für die beiden Computer in Kismaju.
Der Neuankömmling gefiel ihm. Er hatte seine Ehrlichkeit bewiesen und gezeigt, dass er die Wahrheit sagte. Wenn er ihn einstellte, würde man ihn Tag und Nacht im Auge behalten können. Er würde mit niemandem kommunizieren. Der Prediger brauchte einen Privatsekretär. Der Gedanke, dass der junge Mann vor ihm ein Jude und ein Spion sein könnte, kam ihm nicht in den Sinn. Er beschloss, das Risiko einzugehen.
»Möchtest du mein Sekretär werden?«, fragte er freundlich. Dschamma schnappte entsetzt nach Luft.
»Das wäre ein unbeschreibliches Privileg, Herr. Ich würde Ihnen treu dienen, inschallah .«
Die entsprechenden Anweisungen wurden erteilt. Dschamma sollte einen der Pick-ups nehmen und nach Kismaju fahren, um die Aufsicht über den Masala-Lagerschuppen und den Internetcomputer des Predigers zu übernehmen.
Opal würde Dschammas Zimmer bekommen und lernen, was seine Aufgaben waren. Eine Stunde später setzte er die knallrote Baseballkappe mit dem New-York-Logo auf, die er bei dem verunglückten Truck bekommen hatte. Sie hatte dem israelischen Skipper des Fischkutters gehört, der sie hatte abgeben müssen, als die neuen Befehle aus Tel Aviv gekommen waren.
Draußen im Hof schob Opal sein Geländemotorrad zu dem verfallenen Schuppen an der Mauer, um es vor der Sonne zu schützen. Auf halbem Weg blieb er stehen und schaute in den Himmel. Er nickte langsam und ging weiter.
In einem Kontrollraum tief im Keller am Rand von Tampa sah und registrierte man die Gestalt unter der kreisenden Global Hawk. Eine Alarmmeldung wurde ausgesandt, und das Bild wurde in einen Raum in der amerikanischen Botschaft in London übermittelt.
Der Spürhund sah die schlanke Gestalt in Dischdasch und roter Baseballkappe, die da im fernen Marka in den Himmel schaute.
»Gut gemacht, mein Junge«, sagte er leise. Agent Opal war im Innern der Festung und hatte soeben alles bestätigt, was der Spürhund wissen musste.
Der letzte Attentäter war kein Regalbestücker und arbeitete auch nicht in einer Autowerkstatt. Er war gebürtiger Syrer mit guter Ausbildung sowie einem Diplom in Zahnmedizin und arbeitete als Techniker bei einem erfolgreichen Kieferorthopäden am Rande von Fairfax, Virginia. Sein Name war Tarik Hussein.
Er war weder Flüchtling noch Student gewesen, als er zehn Jahre zuvor aus Aleppo gekommen war, sondern ein legaler Immigrant, der sämtliche Einwanderungsprüfungen bestanden hatte. Man fand nie heraus, ob er schon damals den rasenden Hass auf Amerika im Besonderen und den Westen im Allgemeinen in sich getragen hatte, der in seinen Schriften offenbar wurde, als die Virginia State Police und das FBI seinen adretten Vorortbungalow durchsuchte, oder ob er ihn erst während seines Aufenthalts hier entwickelt hatte.
Aus seinem Pass ging hervor, dass er im Lauf dieses Jahrzehnts drei Reisen zurück in den Nahen Osten unternommen hatte, und man vermutete, er sei bei diesen Besuchen von Hass und Abscheu infiziert worden. Sein Tagebuch und sein Laptop enthielten ein paar Antworten, aber nicht alle.
Arbeitgeber, Nachbarn und sein gesellschaftlicher Umgang wurden eingehend befragt, doch anscheinend hatte er allen etwas vorgemacht. Hinter der höflich lächelnden Fassade war er ein engagierter Salafist und Anhänger der niederträchtigsten und härtesten Variante des Dschihadismus. Aus jeder Zeile seiner Schriften strahlten Hass und Abscheu gegen die amerikanische Gesellschaft hervor.
Wie andere Salafisten hielt er es nicht für nötig, traditionelle muslimische Gewänder zu tragen, sich einen Bart wachsen zu lassen oder fünfmal täglich eine Gebetspause einzulegen. Er rasierte sich täglich und trug das Haar sauber und kurz geschnitten. Er lebte allein in einem Bungalow im Vorort, aber er hatte gesellschaftlichen Umgang mit Arbeitskollegen und anderen. Mit der amerikanischen Vorliebe für die freundlich klingende Verkleinerungsform des Vornamens nannte er sich Terry Hussein.
Seinen Freunden in der Bar erklärte er seinen Verzicht auf Alkohol mit dem Wunsch, »in Form« zu bleiben, und das akzeptierten sie. Dass er kein Schweinefleisch aß und nicht mit am Tisch sitzen wollte, wenn es verzehrt wurde, fiel niemandem auf.
Weil er ledig war, machten einige Frauen ihm schöne Augen, doch er wies sie stets höflich und freundlich ab. In der Bar in seiner Nachbarschaft verkehrte der eine oder andere schwule Mann, und er wurde mehr als einmal gefragt, ob er
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