Die Todesliste
Hause und bereitet sich darauf vor zu sterben.
Am dritten Nachmittag kam Al-Afrit zu Besuch, um seine neue Prise zu besichtigen. Von der Brücke der Malmö aus sah Kapitän Eklund die größere Fischer-Dhau erst, als sie schon auf halbem Weg zwischen Ufer und Schiff war. Im Fernglas sah er Mr. Abdis Anzug neben einer Gestalt in weißen Gewändern mittschiffs unter einem Sonnensegel.
Dschimali und seine Piratentruppe waren von einem Dutzend Jugendlicher abgelöst worden, die einer somalischen Praxis nachgingen, wie der schwedische Seemann sie noch nie gesehen hatte. Als die neuen Bewacher an Bord gekommen waren, hatten sie dicke Bündel grüner Blätter mitgebracht, nicht nur Zweige, sondern ganze Büschel. Das war Khat, und sie kauten es ständig. Bei Sonnenuntergang waren sie high, und dann waren sie abwechselnd schlaftrunken und jähzornig.
Als der Somali, der neben Stig Eklund stand, seinem Blick folgte und die Dhau sah, war er sofort nüchtern. Er rannte den Niedergang hinunter zum Deck und rief seine Kumpane, die es sich unter dem Sonnensegel bequem gemacht hatten.
Der alte Clanchef kam über eine Aluminiumleiter an Deck, richtete sich auf und sah sich um. Kapitän Eklund hatte seine Mütze auf dem Kopf und salutierte. Vorsicht war besser als Nachsicht, dachte er. Mr. Abdi, der als Dolmetscher mitgekommen war, übernahm das Vorstellen.
Al-Afrit hatte ein faltiges, beinahe kohlschwarzes Gesicht unter seinem Kopftuch, aber seine legendäre Grausamkeit zeigte sich in den Zügen um seinen Mund. Gareth Evans in London hatte sich versucht gefühlt, Kapitän Eklund zu warnen, doch er hatte nicht wissen können, wer da gerade neben ihm stand. Auch Mr. Abdi hatte nichts weiter gesagt. Deshalb wusste der Kapitän nicht genau, wer es war, der ihn hier gefangen genommen hatte.
Von Abdi als Dolmetscher begleitet, besichtigten sie die Brücke und die Offiziersmesse. Dann befahl Al-Afrit, alle Ausländer sollten an Deck antreten. Langsam ging er an der Reihe entlang, ignorierte die zehn Filipinos und starrte die fünf Europäer an.
Sein Blick blieb eine ganze Weile an dem neunzehnjährigen Kadetten Ove Carlsson in seinem adretten Tropenanzug hängen. Durch Abdi befahl er dem Jungen, seine Mütze abzunehmen. Er starrte in die hellblauen Augen, hob dann die Hand und strich über das maisgelbe Haar. Carlsson wurde blass und wich zurück. Der Somali machte ein wütendes Gesicht, nahm die Hand aber weg.
Als die Besucher zum Fallreep gingen, um das Deck zu verlassen, sagte al-Afrit etwas auf Somali. Vier Mann seiner Leibwache sprangen vor, packten den Kadetten und warfen ihn auf das Deck.
Kapitän Eklund trat aus dem Glied, um zu protestieren. Abdi hielt ihn am Arm fest.
»Tun Sie nichts«, zischte er. »Es ist alles gut, ich bin sicher, alles ist gut. Machen Sie ihn nicht wütend.«
Der Kadett wurde gezwungen, die Leiter zu der Dhau hinunterzusteigen, wo sich ihm Hände entgegenstreckten.
»Käpt’n, helfen Sie mir!«, rief er.
Kapitän Eklund fuhr herum und starrte Abdi an, der das Schiff als Letzter verließ.
»Ich mache Sie für die Sicherheit dieses Jungen verantwortlich«, fauchte er ihn an. »Das ist unzivilisiert.«
Abdi stand schon auf der Leiter. Er war fahl vor Bestürzung. »Ich werde beim Scheich intervenieren«, versprach er.
»Und ich werde London informieren«, antwortete der Kapitän.
»Das kann ich nicht zulassen, Kapitän Eklund. Hier geht es um unsere Verhandlungen, und die sind sehr heikel. Lassen Sie mich das erledigen.«
Dann war er weg. Auf der Rückfahrt durch die Dünung zum Strand saß er schweigend im Boot und verfluchte den alten Teufel an seiner Seite. Falls er dachte, die Entführung des Kadetten könne London unter Druck setzen, das Lösegeld zu erhöhen, würde er alles ruinieren. Abdi war der Unterhändler, und er wusste, was er tat. Davon abgesehen hatte er Angst um den Jungen. Al-Afrit war berüchtigt für seinen Umgang mit Gefangenen.
An diesem Abend rief der Spürhund bei Ariel auf dessen Dachboden in Centreville an.
»Du hast den kurzen Film von mir bekommen?«
»Ja, Colonel Jackson.«
»Ich möchte, dass du ihn auf den dschihadistischen Internetkanal stellst, den der Prediger benutzt.«
Eine Stunde später war der Film weltweit zu sehen. Der Prediger saß auf seinem gewohnten Stuhl und sprach direkt in den Camcorder und damit zur muslimischen Welt. Eine Stunde nach der Vorankündigung würde der gesamte Fanklub zuhören, und außerdem Millionen, die nicht zum
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