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Die Todesliste

Die Todesliste

Titel: Die Todesliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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eine Zeit lang nach, und dann wandte er sich wieder den Papieren zu.
    »Hast du die Tasche geöffnet?«
    »Nein, Scheich. Die Sachen gingen mich nichts an.«
    Die bernsteinfarbenen Augen blickten nachdenklich.
    »In der Tasche war Geld. Vielleicht haben wir es mit einem ehrlichen Mann zu tun, was meinst du, Dschamma?«
    Der Somali lächelte. Der Prediger ließ einen Wortschwall in Urdu auf die Pakistani los, und die beiden traten vor und packten Opal.
    »Meine Leute werden zu der Stelle zurückkehren. Sie werden das Wrack untersuchen, das ja noch da sein muss, und die Leiche meines Dieners. Wenn du gelogen hast, wirst du dir wünschen, du wärst niemals hergekommen. Einstweilen bleibst du hier und wartest auf ihre Rückkehr.«
    Opal wurde wieder eingesperrt, doch nicht in dem verfallenen Schuppen im Hof, aus dem ein behänder Mann in der Nacht leicht hätte entkommen können, sondern in einem Keller mit Sandboden, wo man ihn einschloss. Dort blieb er zwei Tage und eine Nacht. Es war stockfinster. Er bekam eine Plastikflasche mit Wasser, von dem er im Dunkeln sparsam trank. Als man ihn herausließ und nach oben führte, kniff er die Augen zusammen und blinzelte heftig im Sonnenlicht, das durch die Fensterläden hereinfiel. Man brachte ihn wieder zum Prediger.
    Die Gestalt im langen Gewand hielt etwas in der rechten Hand und drehte es langsam zwischen den Fingern hin und her. Die bernsteinfarbenen Augen richteten sich auf den verängstigten Gefangenen.
    »Wie es aussieht, hattest du recht, mein junger Freund«, sagte er auf Arabisch. »Mein Diener ist tatsächlich mit seinem Truck gegen die Böschung des Wadi geprallt und dort gestorben. Die Ursache …« Er hielt den Gegenstand hoch. »Dieser Nagel. Meine Leute haben ihn im Reifen gefunden. Du hast die Wahrheit gesagt.«
    Er stand auf und kam durch das Zimmer heran. Vor dem jungen Äthiopier blieb er stehen und schaute nachdenklich auf ihn herab.
    »Woher kannst du Arabisch?«
    »Ich habe es in meiner Freizeit gelernt, Herr. Ich wollte unseren heiligen Koran besser lesen und verstehen können.«
    »Kannst du noch andere Sprachen?«
    »Ein bisschen Englisch, Herr.«
    »Und woher?«
    »In der Nähe meines Dorfes war eine Schule, die von einem Missionar aus England geführt wurde.«
    Der Prediger schwieg bedrohlich.
    »Von einem Ungläubigen. Einem kafir . Hast du von ihm auch gelernt, den Westen zu lieben?«
    »Nein, Herr. Im Gegenteil. Ich habe bei ihm gelernt, sie für das jahrhundertelange Elend zu hassen, das sie unserem Volk zugefügt haben, und nur die Worte und das Leben unseres Propheten Mohammed zu studieren, möge er ruhen in Frieden.«
    Der Prediger dachte nach und lächelte schließlich.
    »Hier haben wir also einen jungen Mann« – er sprach offensichtlich mit seinem somalischen Sekretär –, »der ehrlich genug ist, das Geld nicht zu nehmen, mitfühlend genug, einem Sterbenden seinen letzten Wunsch zu erfüllen, und der nur dem Propheten dienen möchte. Und der Somali, Arabisch und ein wenig Englisch spricht. Was meinst du dazu, Dschamma?«
    Der Sekretär ging in die Falle. Beflissen stimmte er zu: Jawohl, das sei eine sehr glückliche Entdeckung. Aber der Prediger hatte ein Problem. Er hatte seinen Computerfachmann verloren, den Mann, der ihm die heruntergeladenen Nachrichten aus London brachte, ohne je ersichtlich werden zu lassen, dass der Prediger selbst in Marka und nicht in Kismaju war. Nur Dschamma konnte diesen Mann in Kismaju ersetzen. Alle andern verstanden nichts von Computern.
    Damit verlor er einen Sekretär, aber vor ihm stand ein junger Mann, der lesen und schreiben konnte, neben dem Dialekt seiner Heimat Ogaden noch drei Sprachen sprach und Arbeit suchte.
    Der Prediger hatte zehn Jahre überlebt, weil seine Vorsicht an Paranoia grenzte. Er hatte gesehen, wie die meisten seiner Zeitgenossen von Laschkar-e-Taiba, die Brigade 313, die Henker von Chorasan, der Hakkani-Clan, al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel und die Jemen-Gruppe – wie sie alle gesucht, aufgespürt, anvisiert und eliminiert worden waren. Mehr als die Hälfte war verraten worden.
    Er hatte Kameras gemieden wie die Pest, hatte immer wieder seinen Wohnsitz gewechselt, seinen Namen geändert, sein Gesicht vermummt, seine Augen verdeckt. Und war am Leben geblieben.
    In seiner persönlichen Umgebung akzeptierte er nur Leute, von deren Vertrauenswürdigkeit er überzeugt war. Seine vier pakistanischen Leibwächter würden für ihn sterben, doch sie hatten kein Hirn. Dschamma war

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