Die Todesliste
Millionen einigen – vielleicht auf fünf, wenn der Schwede es eilig hatte.
»Mr. Gareth, darf ich vorschlagen, dass wir morgen früh anfangen? Sagen wir, um neun, Londoner Zeit? Dann wäre es hier Mittag. Bis dahin kann ich in meinem Büro an Land sein.«
»Also gut, mein Freund. Ich werde Ihren Anruf erwarten.«
Das würde ein Satellitentelefonat per Computer sein. Skype kam nicht infrage. Gesichter verrieten zu viel.
»Noch ein Letztes, bevor wir für heute Schluss machen. Habe ich Ihre Zusicherung, dass die Besatzung einschließlich der Filipinos sicher an Bord festgehalten und in keiner Weise behelligt wird?«
Kein anderer Somali hörte diese Frage. Die an Bord der Malmö bekamen nicht mit, was auf der Brücke gesprochen wurde, und sie verstanden ohnedies kein Englisch. Abdi verstand jedoch, was gemeint war.
Im Großen und Ganzen behandelten die somalischen Warlords und Clanchefs ihre Gefangenen menschlich, aber es gab eine oder zwei bemerkenswerte Ausnahmen, und al-Afrit war eine davon. Er war der Schlimmste, eine berüchtigte, bösartige alte Bestie.
Auf der persönlichen Ebene arbeitete Abdi für al-Afrit, und sein Honorar betrug zwanzig Prozent. Seine Tätigkeit als Unterhändler für die geiselnehmenden Piraten machte ihn schon zu einem reichen Mann, der jünger war als die meisten. Doch er brauchte seinen Auftraggeber nicht zu mögen, und er tat es auch nicht. Er verabscheute ihn. Aber er hatte keine Leibwächtertruppe um sich herum.
»Ich bin davon überzeugt, dass die Besatzung an Bord bleiben und gut behandelt werden wird«, gab er zurück und beendete dann das Gespräch. Hoffentlich hatte er recht.
Die bernsteinfarbenen Augen schauten den jungen Gefangenen ein paar Sekunden lang an. Im Zimmer war es still. Opal spürte den gebildeten Somali, der ihn hereingeführt hatte, und zwei pakistanische Bodyguards hinter sich. Als der Mann sprach, tat er es mit einer überraschend sanften Stimme auf Arabisch.
»Wie heißt du?«
Opal sagte es ihm.
»Ist das ein somalischer Name?«
Der Somali hinter ihm schüttelte den Kopf. Die Pakistani verstanden die Frage nicht.
»Nein, Scheich. Ich bin aus Äthiopien.«
»Das ist zum großen Teil kuffar -Land. Bist du Christ?«
»Dank sei Allah, dem Barmherzigen, dem Mitfühlenden, nein, nein, Scheich, ich bin kein Christ. Ich bin aus Ogaden, gleich hinter der Grenze. Wir sind alle Muslime und werden deshalb wütend verfolgt.«
Der Mann mit den bernsteinfarbenen Augen nickte beifällig.
»Und warum bist du nach Somalia gekommen?«
»In meinem Dorf gab es Gerüchte, Rekrutierer der äthiopischen Armee würden kommen und unsere Leute zum Militärdienst für die Invasion gegen Somalia pressen. Ich bin geflohen und hierhergekommen, um mich meinen Brüdern in Allah anzuschließen.«
»Du bist letzte Nacht von Kismaju nach Marka gekommen?«
»Ja.«
»Warum?«
»Ich suche Arbeit, Scheich. Ich habe eine Stelle als Kontrolleur am Fischereidock, aber ich hatte gehofft, in Marka etwas Besseres zu finden.«
»Und wie bist du an diese Papiere gekommen?«
Opal erzählte seine vorbereitete Geschichte. Er sei in der Nacht gefahren, um der drückenden Hitze und den Sandstürmen des Tages zu entgehen. Als das Benzin im Tank knapp wurde, habe er angehalten, um aus dem Reservekanister nachzufüllen. Das sei zufällig auf einer Betonbrücke über einem ausgetrockneten Wadi gewesen. Dann habe er ein leises Rufen gehört. Erst habe er gedacht, es sei der Wind, aber dann habe er es noch einmal gehört, anscheinend unter der Brücke. Er sei die Böschung in das Wadi hinuntergeklettert und habe dort unten einen stark beschädigten Pick-up gefunden. Offenbar sei er von der Brücke abgekommen und gegen die Böschung geprallt. Am Steuer habe ein schwer verletzter Mann gesessen.
»Ich habe versucht, ihm zu helfen, Scheich, doch ich konnte nichts tun. Auf meinem Motorrad war kein Platz für zwei, und ich hätte ihn auch niemals die Böschung hinauftragen können. Ich habe ihn aus dem Wagen gezogen, für den Fall, dass der in Brand geraten sollte. Aber er lag im Sterben, inschallah .«
Der Sterbende habe ihn als Bruder angefleht, seine Tasche mitzunehmen und sie nach Marka zu bringen. Er habe die Adresse beschrieben: in der Nähe des Straßenmarktes, unterhalb des italienischen Kreisverkehrs, ein Doppeltor aus Holz mit einer Luke zum Hinausschauen.
»Ich habe ihn in den Armen gehalten, als er starb, Scheich, aber ich konnte ihn nicht retten.«
Der Mann im langen Gewand dachte
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