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Die Todesliste

Die Todesliste

Titel: Die Todesliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Virginia State Police und das FBI verschwendeten keine Zeit. Der Wagen des Mörders war über die Zulassungsbehörde leicht zu identifizieren. Ein Spezialeinsatzkommando stürmte das Haus am Rand von Fairfax. Es war leer, und Kriminaltechniker in Overalls zerlegten es bis auf das Holzgerippe – und dann bis auf die Fundamente.
    Innerhalb von vierundzwanzig Stunden hatte sich das Netz der Befragungen über die ganze Region ausgebreitet. Anti-Terror-Experten brüteten über dem Laptop und dem Tagebuch. Die Aufzeichnung der letzten Worte lief vor schweigenden Männern und Frauen im Hoover Building des FBI , und Kopien gingen an die CIA .
    Nicht alle, die in dem attackierten Bus gesessen hatten, arbeiteten bei der CIA , denn der Bus hielt auch an anderen Haltestellen. Doch die meisten hatten zur Endstation gewollt: Langley/McLean.
    Vor Sonnenuntergang nahm der Direktor der CIA sein Privileg in Anspruch und ging zu einem Vieraugengespräch mit dem Präsidenten ins Oval Office. Mitarbeiter auf dem Korridor berichteten, er sei immer noch bleich vor Wut gewesen.
    Es kommt zwar selten vor, dass die Spionagechefs des einen Landes etwas für ihre Gegner übrighaben, aber es kommt vor. Während des Kalten Krieges empfanden viele im Westen wider willen Hochachtung vor dem Mann, der den ostdeutschen Spionagedienst leitete. Markus »Mischa« Wolf hatte einen kleinen Etat und einen großen Feind: Westdeutschland und die NATO . Er versuchte gar nicht erst, die Minister des Bonner Kabinetts umzudrehen. Er nahm die grauen Mäuse aufs Korn, die unsichtbar durch die Büros der Großen und Mächtigen huschten und ohne die kein Büro funktionieren kann: die Privatsekretärinnen, die das Vertrauen der Minister genossen.
    Er durchforschte ihr tristes, jüngferliches und oft einsames Leben und schickte ihnen junge, gut aussehende Liebhaber. Diese Romeos machten sich langsam und geduldig an die Arbeit und brachten warme Umarmungen in frostige Leben, die Verheißung ewigen Zusammenseins an sonnigen Orten nach der Pensionierung – und das alles nur für einen kurzen Blick auf diese dummen Unterlagen, die da täglich über den Tisch des Ministers wanderten.
    Und sie waren so frei, die Ingrids und die Waltrauds. Sie kopierten alle vertraulichen und geheimen Papiere, die unbeaufsichtigt zurückblieben, wenn der Minister zu seinem viergängigen Mittagessen verschwand. Irgendwann war die Bonner Regierung so sehr von Spionen durchsetzt, dass die NATO -Verbündeten nicht mehr wagten, ihr auch nur die Tageszeit zu verraten, weil sie wussten, dass diese Information binnen eines Tages nach Ostberlin und von dort nach Moskau gehen würde.
    Eines Tages erschien die Polizei, der Romeo verschwand, und man sah die Büromaus, zusammengeschrumpft und tränenüberströmt, für einen kurzen Moment zwischen zwei massigen Beamten, ehe sie eine einsame kleine Wohnung gegen eine einsame kleine Gefängniszelle eintauschte.
    Er war ein skrupelloser Mistkerl, dieser Mischa Wolf, aber nach dem Zusammenbruch Ostdeutschlands setzte er sich im Westen zur Ruhe und starb eines natürlichen Todes im Bett.
    Vierzig Jahre später hätte der britische SIS zu gern mitbekommen, was in den Räumen der Kanzlei Chauncey Reynolds gesagt und getan wurde, doch Julian Reynolds ließ alle seine Räume regelmäßig durch ein hochkarätiges Team von Elektronikmagiern durchsuchen, von denen einige tatsächlich Staatsdiener im Ruhestand waren.
    Deshalb besaß der Geheimdienst in diesem Sommer keine hoch entwickelte, in Gareth Evans’ Privatbüro installierte Technologie. Aber er hatte Emily Bulstrode. Sie sah alles, las alles und hörte alles, und niemand bemerkte sie mit ihrem Teetablett.
    An dem Tag, als Harry Andersson sich schreiend auf Gareth Evans stürzte, kaufte Mrs. Bulstrode sich wie immer ein Sandwich in dem Deli an der Ecke und ging zu ihrer Lieblingstelefonzelle. Diese modernen Dinger, die die Leute in der Tasche hatten und die in jeder Besprechung losbimmelten, mochte sie nicht. Lieber suchte sie einen der wenigen übrig gebliebenen, rot lackierten Gusseisenkioske auf, wo man Münzen in einen Zähler warf. Als sie Vauxhall Cross erreicht hatte, ließ sie sich verbinden, sagte ein paar Worte und kehrte dann an ihren Schreibtisch zurück.
    Nach der Arbeit ging sie zu Fuß in den St. James’s Park, setzte sich auf die vereinbarte Bank und fütterte die Enten mit ein paar Krusten, die sie von ihrem Sandwich übrig behalten hatte, und wartete auf ihren Kontakt. In den alten Zeiten,

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