Die Todesspirale
Sie jetzt mit Janne sprechen. Er hat gerade erst von Nooras Tod erfahren. Von ihren Eltern, die er angerufen hat, weil niemand zum Training erschien.»
Ich erinnerte mich, dass Taskinen von einer Ballettstunde gesprochen hatte, an der auch Janne heute Morgen hatte teilnehmen sollen, fragte aber nicht nach.
«Kannst du allein nach Hause fahren, Janne, oder soll ich dich begleiten?», fragte der Trainer besorgt. Janne reagierte nicht. Die Schultern im schwarzen TShirt bebten, es war schwer zu sagen, ob er weinte oder von der Kür außer Atem war.
«Könnten wenigstens Sie uns ein paar Fragen beantworten?», bat ich. «Haben Sie gesehen, wie Noora hinausging?»
Luoto nickte nachdenklich.
«Ja … Wie war das noch … Der Ablauf ist jeden Abend gleich, schwer zu sagen, was wann passiert ist. Aber gestern war das Training ungewöhnlich hart. Ich glaube, ich war der Letzte, ich habe noch ein paar Worte mit dem Eismeister ge-wechselt, weil die Bahn in den letzten Tagen nicht ganz in Ordnung war. Da habe ich gesehen, dass Noora ging, gleichzeitig mit dir, nicht wahr, Janne?»
Keine Antwort.
«Wie sind Sie selbst nach Hause gekommen?»
«Ich? Zu Fuß, ich wohne ja ganz in der Nähe. Es hat fast sofort angefangen zu regnen, ich bin gelaufen, aber trotzdem klitschnass geworden.»
«Sie haben gesagt, das Training sei gestern ungewöhnlich hart gewesen. Haben Sie etwas dagegen, wenn wir unser Gespräch auf Band aufzeichnen? Sie müssten die Fragen, die ich gerade gestellt habe, noch einmal beantworten, nur etwas genauer, und dann über Noora und den gestrigen Tag sprechen.»
Luoto nickte und schlug vor, in den Umkleideraum zu gehen, wo es wärmer sei. Äußerlich wirkte er gefasst, aber als er Janne wieder an der Schulter berührte, sah ich, dass seine Hände zitterten. Als Trainer musste er die Gefühlsaufwallun-gen seiner Schützlinge dämpfen und war deshalb vielleicht gezwungen, seine eigenen Gefühle zu ignorieren.
«Komm, Janne, wir gehen. Hier ist es kalt.»
Obwohl er leise sprach, hallten seine Worte in der leeren Halle wider. Es wurde immer wieder geklagt, das Stadion sei zu klein, doch zwischen den leeren Bänken, die Hunderte von Menschen fassen konnten, fühlte ich mich winzig und verloren.
«Wenn Sie ihn nach Hause bringen wollen, können wir uns auch morgen auf dem Präsidium treffen», schlug ich vor und überlegte zugleich, ob Janne einen Arzt benötigte. Doch im selben Moment hob der Junge den Kopf und stieß zwischen den Zähnen hervor:
«Lass gut sein, Rami, ich komm schon zurecht.»
Ohne uns anzusehen, begann er seine Schlittschuhe auf-zuschnüren. Luoto schloss daraus offenbar, dass Jannes Verfassung gut genug war, um ihn allein zu lassen, denn er ging uns voran zum Umkleideraum. Koivu und ich folgten ihm, doch nach einigen Schritten drehte ich mich noch einmal um. Janne hielt die Schnürsenkel in den Händen und starrte reglos auf das Eis, als sähe er Noora darübergleiten.
Luoto öffnete die Tür zu einem kleinen Umkleideraum, in dem ein vergessenes rotes Handtuch hing.
«Wir können hier reden. Janne kommt uns sicher nach, wenn er sich ein wenig gefangen hat.»
Koivu stellte den Recorder an, ich sprach die Daten ins Mikrophon, als wäre ich selbst ein Tonband. Luoto wiederholte seine Antworten auf die Fragen, die ich ihm schon einmal gestellt hatte. Auch er hatte vor dem Stadion niemanden gesehen, der Wagen von Frau Weissenberg war bereits weg gewesen, ebenso der von Tomi Liikanen. Auch Noora und Janne waren nicht mehr da gewesen, als er das Stadion verließ.
«Das gestrige Training war außergewöhnlich strapaziös, sagten Sie. Weshalb? Wegen der Auseinandersetzung zwischen Noora und Ulrika Weissenberg?»
Er nickte.
«Noora war so … willensstark. Wenn sie einen schlechten Tag hatte, mussten alle darunter leiden. Als Trainer war ich fortwährend damit beschäftigt, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Außerdem war diese Reklameidee ziemlich blöd, ich hatte Ulrika Weissenberg gleich gesagt, Noora wird damit nicht einverstanden sein. Aber auf mich hört man ja nicht. Als Noora erfuhr, dass ich von der Sache gewusst und nicht protestiert hatte, wurde sie auch auf mich wütend.
Dann fuhr sie Janne an, weil er die Idee ganz in Ordnung fand.»
«Daraufhin wurde Janne seinerseits wütend. Und Sie?»
«Ein Trainer kann sich das nicht erlauben, er muss vermitteln. Ich habe mich bemüht, die Wogen zu glätten, damit wir endlich trainieren konnten, und zu guter Letzt ist es mir auch
Weitere Kostenlose Bücher