Die Todesspirale
hat es das ganze Frühjahr Probleme gegeben …»
«Ich hätte Noora abholen müssen», schluchzte Hanna.
«Wenn ich geahnt hätte …»
«Du konntest doch nicht wissen, dass der Verrückte gerade an dem Abend zuschlägt!», brüllte ihr Mann. «Du hättest dir eben vorher überlegen sollen, mit wem du ins Bett steigst!»
Hanna zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen, dann fing sie wieder an zu weinen. Ich rief mich lautlos zur Ordnung. Die Sache ging mich nichts an, so sehr mich Kauko Nieminens Worte in Rage brachten. Natürlich suchten Menschen in seiner Lage nach einem Sündenbock, und der Seitensprung seiner Frau hatte ihn zweifellos in seinem Stolz verletzt – trotzdem hätte ich ihm liebend gern die Meinung gegeigt. Stattdessen ging ich zu Hanna, zog ein zerknittertes Stück Küchenkrepp aus der Tasche und hielt es ihr hin.
Kauko Nieminen war nach seinem Ausbruch ans Fenster getreten und starrte hinaus, als wolle er sich vergewissern, dass der Lkw noch vor dem Haus stand. Sollten wir uns allmählich verabschieden? Sicher würde Teräsvuori bald von seiner Reise zurückkehren. Kauko Nieminens Handy gab schon wieder Laut.
«Nieminen … Grüß dich, Ulrika. Danke für die Blumen.»
Ulrika Weissenberg sagte offenbar etwas Merkwürdiges, denn Kaukos Gesicht lief erneut dunkelrot an. Er versuchte, den Redefluss der Anruferin zu unterbrechen, was ihm jedoch erst nach einer guten Minute gelang.
«Die ermittelnde Beamtin ist gerade hier, aber von Jannes Verhaftung hat sie nichts gesagt! Was zum Teufel geht hier vor!» Jetzt brüllte er mich an.
«Janne Kivi wurde heute Morgen auf freien Fuß gesetzt», erklärte ich.
«Wie? Nein, Teräsvuori ist nicht verhaftet worden, wahrscheinlich versuchen sie es nicht mal! Der Kerl hat bei der Polizei einen Stein im Brett!», wetterte Nieminen am Telefon.
Ich seufzte und setzte mich zu Hanna Nieminen aufs Sofa.
Ihre Tränen waren versiegt, als sie von Jannes Verhaftung hör-te. Ohne sich um ihren Mann zu kümmern, fragte sie mich:
«War es doch nicht Vesku, sondern Janne?»
«Wir wissen es noch nicht. Möglicherweise keiner von beiden. Hören Sie, Sie waren vorgestern Abend zu Hause, als Noora sich auf den Heimweg machte. Ist etwas Besonderes vorgefallen? Hat sich Teräsvuori bei Ihnen gemeldet?»
Sie dachte nach. Ihr Mann hatte sich mit seinem Handy ans andere Ende des Zimmers zurückgezogen, das Gespräch schien sich nun um die Beerdigung zu drehen.
«Vesku hat nicht angerufen … Seit der Eisshow habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich dachte, er hätte endlich aufgegeben und würde uns von nun an in Ruhe lassen.» Hanna trocknete sich die Wangen. An den Wimpern hing keine Spur der blauen Farbe mehr, der Puder und die Grundierung hatten sich in den Hautporen verklumpt. «Aber Ulrika Weissenberg hat angerufen und gesagt, sie wäre wütend auf Noora.
Sie hatten sich gestritten, weil Noora nicht in einem Werbespot auftreten wollte, den Ulrika ausgehandelt hatte. Sie wollte später am Abend noch vorbeikommen, um Noora zur Vernunft zu bringen, hat sich aber nicht blicken lassen. Und kurz vor sieben hat Tomi angerufen, der Mann von Elena Grigorieva. Er sagte, er hätte in seinem Fitnesscenter gerade Nooras Halskette gefunden, die sie ein paar Tage vorher verloren hatte.»
Das klang alles sehr interessant. Ulrika Weissenberg kündigte ihren Besuch an, kam aber nicht. Und Tomi Liikanen –
war sein Anruf wirklich aus dem Fitnesscenter gekommen?
Ich fragte nach, aber Hanna hielt an ihrer Aussage fest. Dabei hatte die Grigorieva doch behauptet, sie sei mit ihrem Mann geradewegs nach Hause gefahren. Warum hätte sie lügen sollen?
«Und Ihr Mann war noch in der Firma. Wann ist er nach Hause gekommen?»
«Ich habe ihn gegen neun im Büro angerufen, weil ich mich wunderte, wo Noora blieb. Er kam sofort, unterwegs hat er noch beim Stadion nachgesehen, ob sie dort war. Anfangs habe ich mir keine großen Sorgen gemacht, ich dachte, Noora wollte nach dem Streit mit Ulrika eine Weile allein sein. Sie ist manchmal stundenlang durch den Regen gelaufen.»
Kauko Nieminen hatte sein Gespräch beendet und wollte sich gerade wieder uns zuwenden, als sein Mobiltelefon erneut anschlug. Offenbar gehörte er zu dem Menschenschlag, dem die Existenz der Ausschalttaste unbekannt war. Er hörte eine Weile zu und sagte dann verärgert:
«Tut mir Leid, ich muss jetzt unbedingt in die Firma. Die werden ohne mich nicht fertig. Ich glaube sowieso nicht, dass die Polizei mich noch
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