Die Todesspirale
dass Teräsvuoris Alibi doch nicht so wasserdicht war, wie wir angenommen hatten.
Was hatte Hanna Nieminen über Teräsvuoris erpresseri-sche Aktivitäten gesagt? Erpresste er auch Tomi Liikanen?
Ich fuhr zusammen, als die Tür zur Laderampe aufging und jemand erst eine, dann eine zweite leere Bierkiste hinaus-schob. Vorsichtshalber versteckte ich mich im Gebüsch. Im selben Moment wehte eine Männerstimme von der Verlade-rampe herüber.
«Was bist du überhaupt hierher gekommen, verdammt nochmal! Es war doch abgemacht, dass wir uns nicht zusammen sehen lassen.»
Der Mann wirkte aufgebracht, bemühte sich jedoch, leise zu sprechen.
«Deine Zahlung steht aus! Außerdem macht es mich nervös, dass die Bullen dauernd wegen des Mordes an Noora antanzen. Musste das ausgerechnet jetzt passieren!»
«Warst du es?» Die aufgebrachte Stimme hatte plötzlich einen neckenden Beiklang. «Hat die Kleine Ärger gemacht?»
«Du bist doch hier der Hauptverdächtige!» Die Stimme, die offenbar Tomi Liikanen gehörte, wurde von Teräsvuoris Gelächter übertönt.
«Ich hab ein Alibi. Solange diese verhinderten Pavarottis sich ans Mikrophon drängen, komm ich hier nicht weg. Nur was ist mit dir und deiner Alten? Habt ihr etwa eine saubere Weste? Nun reg dich nicht auf, ich mach ja bloß Spaß. Wir können uns doch beide denken, wer Noora umgebracht hat
– und warum. Oder? Mach dir nicht ins Hemd, übermorgen kriegst du dein Geld. Und jetzt verzieh dich, gleich hier hin-tenrum. Ich muss wieder an die Arbeit!»
Ich duckte mich noch tiefer ins Gebüsch, als Tomi Liikanen mit schweren Schritten an mir vorbeistapfte. Er hätte mich ohnehin nicht gesehen, sein Blick war nach innen gekehrt, und er murmelte vor sich hin. Was war das für eine Geldge-schichte? Beinahe wünschte ich mir, wir wären nicht ins
«Fishmaid» gegangen, denn der Abend hatte meine Verwirrung nur noch gesteigert. Es wäre logischer gewesen, wenn Teräsvuori von Liikanen Geld gefordert hätte und nicht um-gekehrt.
Schließlich machte ich mich auf den Weg zum Hauptein-gang. An der Ecke stieß ich mit Antti zusammen.
«Maria! Wo hast du denn gesteckt? Ich dachte schon, dir wäre was passiert!»
«Mir war schwindlig von dem Qualm da drinnen, deshalb wollte ich ein bisschen frische Luft schnappen.»
«Schwindlig? Dir? Was ziehst du hier eigentlich für eine Show ab?»
Als ich keine Antwort gab, erklärte Antti, er habe bereits gezahlt, und hielt mir mit beleidigtem Gesicht den Mantel hin.
Gerade in dem Moment machte jemand die Tür zum Restaurant auf. Von drinnen hörte man einen knödelnden Tenor, der Juice Leskinens nasalen Sound nachzuahmen versuchte:
«In deine Arme schmieg ich mich, und wenn du willst, bleib ich bei dir …»
Ich spürte, wie weit ich von Antti entfernt war, obwohl er nur einen halben Meter vor mir zum Auto ging. Als wir wortlos einstiegen, sah ich im Rückspiegel den weißen Lieferwagen mit dem Schriftzug «Tommy’s Gym» wegfahren. Bisher hatte ich versucht, die Informationen, die ich erhalten hatte, zu einem geschlossenen Bild zusammenzufügen, von dem ich glaubte, es würde mir die Wahrheit über Nooras Tod verraten. War das der falsche Weg? Vielleicht war die scheinbar zufällige, sinnlose Anordnung der Puzzleteilchen die richtige, vielleicht handelte es sich um ein Stereogramm, hinter dessen Oberfläche ich ein dreidimensionales, neues Bild erkennen würde, wenn ich es nur verstand, richtig hinzusehen.
Eigentlich hatte ich gleich am Mittwochmorgen die Verbindung zwischen Liikanen und Teräsvuori untersuchen wollen, doch daraus wurde nichts. Um zehn musste ich vor dem Richter erscheinen, der den Haftbefehl gegen den Ha-schischdealer Tirkkonen anordnete. Das war rasch erledigt, doch der Rest des Vormittags ging für Vernehmungen wegen einer Körperverletzung drauf. Über Nooras Mord hatte ich diesen Fall, der sich vor zwei Wochen ereignet hatte, beinahe vergessen. Nach einem hastig heruntergeschlungenen Mittagessen – Fischklößchen – wurde es bereits Zeit, zur Vorsorgeuntersuchung nach Olari zu fahren.
Die Routine war mir mittlerweile vertraut: Urinprobe, Wiegen, Herztöne … Das Rauschen aus dem Ultraschallgerät war wie ein offenes und doch undurchsichtiges Fenster zur Gebärmutter. Ich konnte die Bewegungen des Babys spüren, die Schläge seines daumennagelgroßen Herzens hö
ren, es war mir so nah, wie es ein Mensch nur sein kann, und doch fremd, gesichtslos.
«Der Blutdruck ist leicht erhöht», meinte die
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