Die Todesspirale
Gymnastik zum Schluss. Die Todesspirale … Nooras Haltung wurde immer besser, ihr Hinterkopf berührte das Eis …»
«Und Frau Weissenberg hat das Training unterbrochen?»
«Allerdings! Immerzu kommandiert sie herum, als wären ihre Angelegenheiten das Allerwichtigste. Und für unsere Erfolge steckt sie sich die Federn an den Hut. Noora und Janne waren noch beim Stretching, während Silja eine Kombination von dreifachem Lutz und dreifachem Toeloop geübt hat.
Das ist bei den Frauen die schwierigste Sprungkombination», fügte sie stolz hinzu.
«Und Frau Weissenberg kam dazu», mischte sich Pihko ein. Offenbar wollte er sich keinen Vortrag über die Finessen des Eiskunstlaufs anhören.
«In der Garderobe wurde es furchtbar laut, Noora hat die Weissenberg angebrüllt. Was gesagt wurde, habe ich nicht mitbekommen, ich habe mich ganz auf Siljas Sprung konzentriert.»
«Sie haben auch später nicht erfahren, worüber sich die beiden gestritten haben, Sie wissen nur, dass es um Werbung ging?»
«So ist es. Noora konnte die Weissenberg nicht leiden, und die wiederum mag nur Leute, die ihr blind gehorchen.»
«Frau Weissenberg hat das Stadion aber lange vor Noora verlassen?»
«Sie ist nur kurz geblieben. Silja ging gegen sechs, wir haben dann noch die Todesspirale geübt. Ich hatte den Eindruck, dass Janne Noora nach Hause bringen wollte. Sie hatte so viel Zeug bei sich, ihre neuen Schlittschuhe zum Beispiel, die hat sie gestern Abend ausprobiert.»
«Ihrer Erinnerung nach hatte Noora also ihre Sporttasche dabei, als sie die Halle verließ?»
Die Grigorieva nickte. Da ihr Mann sie abgeholt und zum Aufbruch gedrängt hatte, wusste sie leider nicht, ob Noora tatsächlich in Jannes Auto eingestiegen oder zu Fuß gegangen war. Offenbar war Janne Kivi der Einzige, der darüber Auskunft geben konnte.
«Was hat man Noora angetan?»
Die Frage traf mich unvorbereitet. Bevor ich mir eine Antwort zurechtgelegt hatte, fragte die Trainerin weiter:
«Ist sie vergewaltigt worden?»
Davon hatte Taskinen nichts gesagt, nicht einmal, als wir über Pertsas Theorie sprachen. Deshalb verneinte ich, sagte kurz, es handle sich keinesfalls um einen Unfall. Noora sei erschlagen worden.
«Wann ist sie gestorben? Gleich nach dem Training?»
«Ihre Leiche wurde gegen acht Uhr gefunden.»
Aus ihrem Gesichtsausdruck wurde ich nicht schlau. Wut lag darin, Angst … aber was noch?
«Dann hat sie ja heute früh bei der Ballettstunde gefehlt!
Warum hat mir denn niemand etwas gesagt …»
Ihre Stimme wurde wieder schriller, hastig fragte ich, ob sie von der Halle direkt nach Hause gefahren war. Sie zögerte.
«Ja, wir sind nach Hause gefahren. Unterwegs haben wir noch eingekauft, und dann habe ich gekocht. Fischsuppe.»
Ich hatte noch viele Fragen an Elena Grigorieva. Vorher wollte ich jedoch mit allen sprechen, die gestern im Eisstadion gewesen waren. Beim Abschied versuchte ich ihr klar zu machen, dass sie in ihrer Verfassung lieber nicht allein sein sollte, doch sie begann verwundert ihre Termine aufzuzählen.
«Um vier ist das Gruppentraining der Junioren. Das muss ich noch vorbereiten. Arbeit kuriert den schlimmsten Schmerz, das weiß ich aus Erfahrung.»
«Ja, ja, Arbeit macht frei», murrte Pihko, als wir uns wieder in den Aufzug zwängten. In zwei Wochen würde er uns verlassen, um sich auf die Aufnahmeprüfung zum Jurastudium vorzubereiten. Pihko war ehrgeizig, er wollte es mindestens zum Kriminalkommissar bringen. Wenn er die Zulassung schaffte, würde er nur noch vertretungsweise in den Semes-terferien bei uns arbeiten.
«Ob Raimo Luoto zu Hause ist? Ich ruf mal an. Er hat Noora und Janne schon seit Jahren betreut, also werden die Nieminens ihn sicher informiert haben.»
Ich erreichte jedoch nur den Anrufbeantworter des Trainers. Eine angenehme, jungenhafte Stimme bat darum, eine Nachricht zu hinterlassen, worauf ich aber verzichtete.
«Kivi oder Weissenberg?», fragte Pihko. In dem Moment klingelte das Telefon. In einem Gehölz in Koukkuniemi, nicht weit vom Haus der Nieminens, war Nooras Sporttasche gefunden worden. Nun stand auch fest, womit der Täter auf das Mädchen eingeschlagen hatte: Ihre neuen Schlittschuhe lagen blutverschmiert in der Tasche.
Zwei
In dem sumpfigen Wäldchen zwischen der Siedlung und dem Park wimmelte es von Polizisten. Auch Koivu war dabei, offenbar hatte er seine Runde durch das Einkaufszentrum und das Parkhaus abgeschlossen.
«Du möchtest die Sachen sicher sehen, bevor wir sie ins
Weitere Kostenlose Bücher