Die Toechter der Familie Faraday
geändert. Vielleicht war Sadie inzwischen bereit für ein Wiedersehen.
Sein Anwalt hatte mehrere Detekteien empfohlen. Leo hatte sich für eine Londoner Kanzlei entschieden. Wenn Sadie Mitglied dieser Vereinigung war, lebte sie vermutlich in Europa. Das schränkte die Suche auf ungefähr siebenundvierzig Länder ein.
Leo hatte bei der Detektei angerufen, ein Honorar vereinbart und den Detektiv, der ihm zugewiesen wurde, informiert. Er klang jung, selbstsicher, redegewandt. Mehr der Typ Verkäufer als Detektiv. Vielleicht war das in seinem Beruf wichtig. Man benötigte sicher Redegewandtheit, um anderen Informationen zu entlocken, die diese eigentlich nicht preisgeben wollten.
Leo überließ ihm die Arbeit. Drei Wochen lang hörte er nichts, dann rief er an, um sich zu erkundigen. Die Nachforschungen wären im Gange und man würde ihm so bald wie möglich einen Bericht zukommen lassen, hieß es.
Eine Woche später war der Anruf gekommen. Die Frau im roten Kleid war gefunden, erfreute sich bester Gesundheit und lebte als erfolgreiche Geschäftsfrau in Dublin. Nicht nur das – die Frau, die Leo für Sadie hielt, nannte sich Sally O’-Toole.
Beide Neuigkeiten hatten Leo bestürzt. »Sie hat einen neuen Namen? Und lebt in Dublin? Dublin, Irland ? Wie ist sie denn dort gelandet? Was macht sie? Geht es ihr gut?«
»Ich mache mich auf den Weg, sobald ich kann. Ich melde mich dann wieder mit einem vollständigen Bericht.«
Leo erwartete den Bericht jetzt täglich. Es fiel ihm schwer, nicht ständig in der Detektei anzurufen und sich nach den Fortschritten zu erkundigen. Er musste an der Sache dranbleiben. Er schaute auf die Uhr. Bis Mitternacht würde er noch warten, wenn Maggie bis dann nicht nach Hause gekommen war, würde er eine Nachricht hinterlassen und am nächsten Morgen wiederkommen.
Er sehnte sich danach, sie zu sehen. Sie waren nicht nur Großvater und Enkelin. Sie waren Freunde. Verbündete. Er musste an die vielen Stunden denken, die sie gemeinsam in Denkland verbracht hatten. Damals hatte sich alles um Zahlen gedreht.
»Kannst du für mich fünf Sachen über die Mondlandung herausfinden, Maggie?«
»Nenn mir sechs Entdecker.«
»Sag mir sieben Dinge über die Besiedelung Australiens.«
»Wer waren die sechs Ehefrauen von Heinrich VIII.?«
Dann war Maggie mit Clementine, und später allein, in die Bibliothek gegangen und mit ihrem kleinen Büchlein – ein Abbild seines eigenen – voller Notizen zurückgekehrt.
Sie hatte solche Spiele geliebt. Alles, was mit Zahlen zu tun hatte. Auf diese Weise hatten sie Maggie auch überlistet, ihren Pflichten im Haushalt nachzukommen. Clementine hatte ihre Aufgaben durchnummeriert: 1. Zimmer aufräumen. 2. Unkraut jäten. 3. Vordere Veranda kehren. So war für Maggie ein Spiel daraus geworden. Sie hatte auch immer alles in der richtigen Reihenfolge erledigt.
Vielleicht wäre das auch hier die beste Vorgehensweise: ihr zu erklären, dass sie drei Dinge für ihn tun musste, drei sehr wichtige Dinge, und dass sie der einzige Mensch auf der ganzen Welt war, der das konnte.
»Das ist Bestechung. Emotionale Erpressung«, hörte er Miranda sagen. Sie hatte ihm ein solches Verhalten schon früher vorgeworfen, was ihn sehr verletzte. Aus ihrem Mund hatte es geklungen, als wäre er manipulativ und berechnend. Doch das stimmte nicht. Er konnte doch nichts dafür, dass die Gesellschaft seiner Töchter und seiner Enkelin für ihn das Schönste auf der Welt war. Das war kein Ausdruck von Egoismus. Jedenfalls nicht so ganz. Denn es bot eine großartige Möglichkeit, Tessas Andenken zu ehren. Die einzige Möglichkeit.
Er hatte das seinen Töchtern gegenüber nie eingestanden, aber für ihn war Tessa bei all ihren Zusammenkünften anwesend. Hinterher unterhielt er sich immer im Geiste mit ihr so wie früher, wenn sie gemeinsam auf Geschäftsessen oder Partys gegangen waren. Er hatte diese Gespräche immer sehr genossen, oft weit mehr als den eigentlichen Anlass. Wie gerne hatte er mit Tessa in der Küche gesessen, wenn die Mädchen in ihren Betten schliefen. Er hatte Tessa dann immer gefragt, mit wem sie gesprochen, mit wem sie getanzt, was sie in jedem Augenblick gedacht hatte. Sie konnte sich so wundervoll ausdrücken. Bisweilen war sie auch ein wenig gehässig. Miranda hatte das zweifelsohne geerbt. Tessa hatte sich manchmal besonders gemein über die Frauen seiner Kollegen geäußert, erinnerte sich Leo mit einer Mischung aus schlechtem Gewissen und Schadenfreude. Er
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