Die Toechter der Familie Faraday
Vielleicht gab es keinen Zusammenhang, ich weiß es nicht. Aber an dem Tag habe ich gekündigt. Ich bin wieder hierhergezogen, Mom hat sich meiner angenommen und mir etwas Arbeit verschafft, daneben singe ich in Bars. Und an dem Punkt bin ich nun.«
»Hast du seither als Kameramann gearbeitet?«
Er schüttelte den Kopf. »Vor einem Jahr habe ich ernsthaft darüber nachgedacht und mich mit einem Freund getroffen, der hier in New York bei NBC arbeitet. Ich war im Nachrichtenraum, hab mir den neuesten Branchenklatsch angehört, mit dem Kamerateam gesprochen, und dann ist es wieder passiert. Ich habe Panik bekommen. Nicht nur vor dem, was ich filmen oder sehen könnte, ich hatte Angst, ich könnte etwas falsch verstehen, etwas übersehen. Man kann so einen Job nicht machen, wenn man Angst hat.« Er blinzelte, als könnte er kaum glauben, was er gerade alles erzählt hatte. »Nun, das war sie also, Maggie, die ganze klägliche Geschichte.«
»Wieso kläglich?«
»Na, eine Heldensaga ist das ja wohl kaum, oder? Ich bin nicht gerade der tapfere, furchtlose Nachrichtenjäger.«
»Das muss schrecklich gewesen sein. Ich kann genau verstehen, warum du da wegmusstest.«
Er beugte sich vor und nahm ganz in Gedanken für einen kurzen Moment ihre Hand. »Danke fürs Zuhören.«
Sie berührte im Gegenzug seinen Arm. »Danke fürs Erzählen.«
Als sie das Restaurant verließen und zurück zu Maggies Apartment gingen, war es fast Mitternacht. Es war immer noch warm, die Straßen waren voller Menschen. Nach zwei Blocks bemerkte Gabriel, dass er seine Gitarre vergessen hatte und sie zum Restaurant zurückgehen mussten.
»Das spricht nicht gerade für einen Vollblutmusiker, oder?«
»Vielleicht solltest du Konzertpianist werden. Einen Steinway vergisst man nicht so leicht.«
»Ich könnte mir ein kleines Handwägelchen kaufen und ihn hinter mir herziehen«, schlug Gabriel vor.
»Das war die Enttäuschung des Abends«, sagte Maggie. »Dass du gefeuert wurdest und ich dir nicht zuhören konnte.«
»Aber das war nur ein Job. Den morgen Abend habe ich noch.«
»Wirklich? Wo?«
»Sag ich dir nicht.«
»Ich rufe jede irische Bar in der Stadt an.«
»Davon gibt es Tausende, außerdem trete ich unter anderem Namen auf.«
»Wirklich? Unter welchem?«
»Bono.«
Sie gingen durch den Washington Square Park. Maggie blieb stehen. »Das ist das perfekte Ambiente. Sing doch jetzt für mich. In Gedenken an Dolly.«
»Hier? Im Freien? Ohne dass mir angeheiterte Gäste zujubeln?«
»Ich wette, du traust dich nicht.«
»Du wettest ?« Er lachte. »Nach dem Motto, wir sind beide acht Jahre alt, und in dem Fall wette ich, dass du dich nicht traust, was weiß ich, eine Schnecke zu essen?«
»Genau.« Sie lachte. »Wenn du singst, esse ich eine Schnecke. Und ich hasse Schnecken.«
Er streckte die Hand aus. Sie schlug ein. »Abgemacht«, sagten sie zeitgleich.
Sie blieben an einer Bank stehen, Gabriel nahm die Gitarre aus dem Kasten und setzte sich. Maggie setzte sich neben ihn, schaute zu, wie er das Instrument auf sein Knie legte, mit der Hand über die Saiten fuhr, einmal, zweimal, dann einen Stimmwirbel justierte. Er ging eine Reihe von Akkorden durch.
»Du kannst spielen. Das klingt toll.«
»Nein, tut es nicht, und ja, ich kann spielen. Ich nehme auch Wünsche entgegen. Was möchtest du hören? Sentimentales irisches Zeug, sinnliche spanische Songs, oder eine Mischung aus beidem?«
»Wie klingt das?«
»So.« Er spielte leise Gitarre und sang »The Wild Rover« zu einem spanischen Flamenco. Maggie musste lachen.
»Beim Refrain bist du dran«, sagte er. »›No nay never, no nay never no more, will I play the wild rover, no never, no more.‹«
Er hatte gerade zur zweiten Strophe angesetzt, als eine Seite riss.
»Wenn da nicht Dolly ihre Hand im Spiel hat«, sagte Maggie.
»So schnell bringt sie mich aber nicht zum Schweigen«, gab Gabriel zurück. »Ich habe doch Ersatzsaiten dabei.« Er sah sich um. »Ich brauche nur ein wenig mehr Licht. Ich kann doch jetzt nicht aufhören, oder? Unser armer Held hat ein gebrochenes Herz, da müssen wir ihn doch auf sein Boot und übers Meer nach Irland befördern, bevor es zu spät ist.«
»Auf einer spanischen Galeone?«
»Genau.« Gabriel grinste.
»Mein Apartment liegt gleich da drüben, und Licht gibt’s bei mir reichlich. Wenn ich einen Kaffee mache, während du die Saite neu aufspannst, singst du mir dann den Rest vor?«
»Das klingt nach einem fairen Handel. Aber ist dein
Weitere Kostenlose Bücher