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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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wieder erschien ein anderes Motiv, ein Fenster, ein rascher Schwenk auf die Tür. Leos Gesicht war ungefähr eine Minute lang direkt vor der Linse, während er mit sich selbst sprach und die Kamera auf und ab bewegte, um sie von allen Seiten zu inspizieren.
    Clementine und Miranda lachten so sehr, dass ihnen die Tränen kamen. Sie drängten Maggie, das Band normal weiterlaufen zu lassen. In Echtzeit war es noch lustiger.
    Die Schlusseinstellung zeigte noch einmal die Dielen, dann flackerte das Bild und man sah vier Sekunden lang, wie Miranda sich von ihrem Platz erhob. Gabriels Stimme war wieder zu hören. »Das war ganz toll. Danke euch allen.« Dann wurde der Bildschirm schwarz.
    Leo hatte das Gesicht in den Händen verborgen und wiegte sich vor und zurück. Maggie und seine beiden Töchter gingen zu ihm, setzten sich neben ihn, immer noch lachend, und umarmten ihn.
    »Meine wundervolle Idee, alles hinüber«, sagte er. Er war vollkommen außer sich. »Wann werden wir jemals wieder so eine Gelegenheit bekommen? Ist es zu spät, noch schnell zum Flughafen zu fahren? Vielleicht sind die anderen ja noch da?«
    »Nein!«, riefen die drei Frauen im Chor.
    »Reg dich nicht auf, Leo«, sagte Clementine. »Das war viel lustiger, als uns selbst zu sehen.«
    »Nein, war es nicht. Ich hatte doch alles so gründlich geplant. Das sollte ein ganz besonderes Geschenk für euch und für Maggie sein, in ein paar Jahren. Und was kann ich euch jetzt bieten? Einen Film von einem irren alten Mann, der allein in einem Zimmer hockt und mit sich selbst spricht.«
    »Deshalb ist der Film ja so gut.« Maggie sprach für sie alle und lachte wieder. »Es ist das perfekte Porträt von dir.«

46
    An Schlaf war für Maggie in jener Nacht überhaupt nicht zu denken. Für einen Außenstehenden hätte es wie eine glückliche Familie gewirkt, wie sie alle zusammen zu Abend gegessen, vor dem Fernseher gesessen und gelacht hatten. Vielleicht waren sie ja glücklicher als manch andere Familie, dachte Maggie. Vielleicht gab es im Herzen einer jeden Familie Traurigkeit, Enttäuschungen, schmerzliche Verluste und Entfremdung. Vielleicht waren es die fröhlichen Momente wie an diesem Abend, die sie in schweren Zeiten zusammenhielten.
    Maggie wusste jetzt so viel mehr über ihre Familie. Sie hatte Sadie wiedergesehen. Sie wusste, warum sie wirklich fortgegangen war. Sie hatte die Tagebücher gelesen und wusste mehr über ihre Großmutter, als ihr lieb war. Sie wusste, dass ihre Mutter, ihre Tanten und ihr Großvater sie all die Jahre wegen Sadie angelogen hatten, und das ließ ihr keine Ruhe. Sie wollte mehr erfahren. Sie musste mehr erfahren. Und es gab nur einen Menschen, mit dem sie darüber sprechen konnte.
    Ihre Mutter.
    Maggie setzte sich auf und sah aus dem Fenster. Sie konnte Donegal nicht verlassen, ohne mit Clementine gesprochen zu haben. Eine Gelegenheit wie diese gab es womöglich nie wieder.
    Zum zweiten Mal in drei Tagen schlich sie den Flur entlang, um mitten in der Nacht zu ihrer Mutter zu gehen. Sie klopfte leise an die Tür, dann betrat sie das Zimmer. Es war wieder von Mondlicht erhellt. Clementine drehte sich im Schlaf.
    »Mum?«, flüsterte Maggie.
    Clementine fuhr hoch. Sie war schlagartig wach. »Maggie? Ist alles in Ordnung?«
    »Nein, ist es nicht.«
    »Was ist denn? Ist dir schlecht? Ist etwas mit Leo?«
    »Es geht um mich. Ich muss mit dir sprechen.«
    »Worüber denn? Über Gabriel? Oh, Maggie, natürlich, lass mich …«
    »Es geht nicht um Gabriel. Es geht um Sadie.« Clementine erstarrte. Maggie preschte vor, ehe sie der Mut verließ. »Es tut mir leid, dass ich das ohne Vorwarnung aus heiterem Himmel anspreche. Und dich auch noch im Schlaf überfalle. Soll ich dir einen Tee machen oder …?«
    Clementine schaltete das Nachtlicht ein. »Nein, nein, alles bestens. Setz dich. Sprich mit mir.«
    Maggie machte die Tür zu, dann setzte sie sich zu ihrer Mutter aufs Bett. Sie zögerte nur kurz. »Ich weiß Bescheid. Ich weiß, was damals passiert ist. Dass sie mich mitgenommen hat. Dass sie kein Hippie ist.«
    Clementine fasste sich an den Hals. Wie Sadie. »Wer hat es dir erzählt?«
    »Leo.« Leo, nicht Tollpatsch. Es war an der Zeit, noch mehr aus den Kindertagen hinter sich zu lassen. »Warum hast du mir das nie erzählt? Warum hat mir das niemand von euch je erzählt?«
    Clementine setzte sich aufrecht hin. Maggie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre Mutter aus dem Schlaf gerissen hatte. Aber wann war schon der

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