Die Toechter der Familie Faraday
ersichtlichen Grund. Wenn sie sich nicht erbrach, machte sie Pipi oder Kacka. Manchmal auch alles zusammen. Außerdem hatte Clementine das Gefühl, dass ihr eigener Körper immer mehr außer Kontrolle geriet. Ihre Brüste tropften beim ersten Schrei ihrer Tochter, manchmal auch nur bei einem flüchtigen Gedanken an sie. Clementine kam mit dem Waschen ihrer Kleider gar nicht so schnell nach, wie Maggie ihre Visitenkarte aus milchigem Erbrochenen erst auf der einen, dann auf der anderen Schulter hinterließ. Obwohl nichts auf der Welt schöner war als der unglaublich süße, frische Duft, wenn Maggie sauber und trocken in ihrem Arm döste, kam es Clementine manchmal vor, als wäre sie schon vom Aufwachen an von einer Geruchswolke aus Wäschepulver, Erbrochenem und vollen Windeln umgeben.
In den ersten Monaten war es auch noch so gewesen, als hätte Maggie fünf Mütter. Juliet, Miranda, Eliza und Sadie hatten sich förmlich überschlagen, darin gewetteifert, wer Maggie halten, anziehen oder baden durfte. Eines Nachmittags hatten sich Juliet und Eliza fast darüber gestritten, wer an der Reihe war, die Windeln zu wechseln. Einmal hatte Clementine Sadie sogar dabei erwischt, wie sie Maggie aufweckte, nachdem Clementine zuvor fast eine Stunde gebraucht hatte, um sie zu beruhigen.
»Sie fehlt mir«, war Sadies Erklärung.
Selbst Miranda hatte sich an einem Tag angeboten, einige Stunden auf Maggie aufzupassen, damit Clementine ein wenig Schlaf nachholen konnte. »Wir kuscheln ein bisschen, dann leg ich sie hin, versprochen«, hatte Miranda gesagt.
Als Clementine zwei Stunden später aus ihrem Zimmer gekommen war, war Maggie immer noch hellwach, hatte auf Mirandas Schoß gesessen und das Haar – ihren Flaum – zu Dutzenden kleiner Zöpfchen gebunden.
»Sie ist ein Baby, keine Puppe«, hatte Clementine gesagt.
»Wirklich? Vielleicht hast du recht, ihre Augen sehen ja wirklich sehr lebendig aus.«
Doch mit jeder Woche, die verging, hatten sich ihre Schwestern mehr zurückgezogen. Clementine machte ihnen keinen Vorwurf. Sie hatten schon genug ertragen, besonders während der langen, schlaflosen Nächte, wenn Maggies Geschrei sie alle wach hielt, bis Leo der Geistesblitz mit den Eierkartons gekommen war.
Leo war immer noch ganz der hingebungsvolle Großvater – er war regelrecht in Maggie vernarrt -, aber seine Aufmerksamkeit hing davon ab, was in Denkland vor sich ging. Gerade hatte er ein neues Projekt begonnen und verschwand an den meisten Abenden gleich nach dem Essen im Schuppen. Clementine hatte sich anfangs darauf verlassen können, dass er ihr beim abendlichen Baden half. Nun war sie auf sich gestellt.
Sie sagte zu niemandem etwas. Sie war sehr darauf bedacht, niemanden zu verärgern und Maggie möglichst problemlos in das allgemeine Familienleben zu integrieren.
Der einzige Trost war, dass Maggie ein gesundes und fröhliches Kind war. Ihre Augen strahlten, sie nahm gut zu, sie war quicklebendig, und wenn sie sich dazu herabließ zu schlafen, dann tief und ruhig. Clementine hingegen hatte seit Wochen nicht richtig geschlafen. Ihr Haar hing Tag für Tag zu einem langen Zopf geflochten herunter. Sie hatte weder die Zeit noch die Energie, es regelmäßig zu waschen.
Das hatte sie nicht erwartet: wie intensiv und pausenlos man sich um ein Baby kümmern musste und dass dabei keine Zeit für einen selbst blieb. Früher hatte sie jederzeit spazieren gehen können. Sich spontan mit Freunden treffen, in die Bibliothek gehen, lernen und schlafen können. Jetzt musste sie alles planen und vorbereiten. Und sogar wenn sie alles organisiert hatte, wenn Maggie angezogen und fertig war, genügte ein plötzlich nötig gewordener Windelwechsel, ein Brech-oder Weinanfall, und alles verzögerte sich, musste verschoben oder gar abgesagt werden.
David war zweimal aus Melbourne gekommen, einmal gleich nach Maggies Geburt, als Clementine noch im Krankenhaus gelegen hatte. Er hatte auf das Baby in seinen Armen geschaut, als wäre es eine große Made. Er hatte sich sehr bemüht, es sich nicht anmerken zu lassen. Seine Unreife hatte Clementine von Neuem erschüttert. Er war für so etwas noch nicht bereit. Überwältigt von den Nachwehen der Geburt, der Aufmerksamkeit, den vielen Geschenken und der Vorfreude auf ihr Zuhause, auf das völlig umgestaltete Zimmer hatte sie sich gesagt, dass es keine Rolle spielte, dass sie keinen Mann an ihrer Seite hatte.
Nur mitten in der Nacht, wenn Maggie endlich schlief, erlaubte sie sich eine
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