Die Toechter der Familie Faraday
Sadie.
Sie fuhren mit dem Aufzug nach unten und gingen die geschäftige Straße entlang, bis sie zu einem Briefkasten kamen. Dabei passierten sie zehn Bäume. Maggie zählte mit. Sadie hob sie hoch, damit sie den Brief einwerfen konnte.
»Hinein damit. Braves Mädchen. Und was machen wir jetzt?«
»Ich hab Hunger.«
Sie unternahmen jeden Tag etwas Tolles. Maggie zeigte Sadie die Liste, die Miranda ihr geschickt hatte.
»Das willst du alles machen?«
Maggie nickte.
»Dann machen wir das.«
Sie gingen ins Museum und in die Kunstsammlung. Sie riefen jeden Tag zu Hause an. Clementine war nicht da. Sie war auf der Insel, aber manchmal ging Tollpatsch ans Telefon und dann erzählten sie ihm, was sie gemacht hatten. Manchmal war selbst er nicht da, dann sprachen sie auf den Anrufbeantworter. Maggie fand das lustig.
»Hier ist Maggie. Wir haben ganz viel Spaß. Bye.«
Einmal kam Maggie ins Wohnzimmer, und Sadie saß da und weinte. Maggie ging zu ihr und umarmte sie ganz fest. »Nicht traurig sein, Sadie.«
Sadie umarmte sie auch ganz fest. »Danke, Maggie.«
»Vermisst du Tollpatsch?«
»Nein, das ist es nicht. Das ist eine lange Geschichte.«
»Soll ich dir etwas vorlesen?« Miranda hatte viele Bücher in Maggies Zimmer gelegt. Maggie lief los und holte eins. Es ging um fünf Enten. Sie kannte noch nicht alle Wörter, aber sie las vor, so gut es ging. Am Ende, als alle Entchen wieder bei ihrer Mutter waren, sah Maggie auf. Sadie weinte und lächelte zugleich.
»Danke, Maggie.«
Maggie wies auf die Entchen. »Das hier ist Miranda, das Juliet, die hier Eliza, das hier ist Clementine und das bist du.«
»Und wer ist das da?« Sadie wies auf die Mutterente. »Ist das Tollpatsch?«
»Nein, das ist eure Mutter«, sagte Maggie und dachte einen Augenblick lang nach. »Wo ist eure Mutter, Sadie?«
»Sie ist gestorben, Maggie. Vor fünfzehn Jahren.«
»Meine Großmutter ist auch gestorben. Tollpatsch hat’s mir erzählt. Er ist immer noch sehr traurig.«
»Ich weiß. Deine Großmutter war meine Mutter, Maggie.«
» Wirklich? Wieso?«
»Weil Tollpatsch mein Vater ist. Also war seine Frau meine Mutter.«
Maggie dachte darüber nach. »Wie war sie denn?«
»Ich weiß es nicht. Ich dachte, ich wüsste es, aber ich habe mich wohl geirrt.«
»Hast du sie lieb gehabt? So wie ich meine Mum?«
»Ich weiß nicht.«
»Hat sie dich lieb gehabt?«
Sadie stand auf und wischte sich einige Krümel von ihrer Jeans. »Nein, Maggie, das hat sie nicht.«
»Aber sie war doch deine Mum. Eine Mum muss ihr Kind doch lieb haben.«
Sadie gab keine Antwort.
In den nächsten drei Tagen nahmen sie die Straßenbahn, fuhren zum Strand und gingen in den Zoo. Sie aßen, was sie wollten und wann sie wollten. Sie setzten sich auf Mirandas Couch und sahen sich Videos an. Maggie schlief ein, auf Sadies Schoß gekuschelt. Als Sadie sie in ihr Zimmer tragen wollte, setzte sie sich schlagartig auf, riss die Augen weit auf und schaute Richtung Fernseher. »Ich bin wach, ich bin wach.«
Sadie lachte. »Nein, bist du nicht. Du hast die ganze letzte Stunde geschlafen.«
Maggie hielt sich die Augen mit den Fingern auf. »Nein, sieh doch, wie sehr ich gar nicht schlafe.«
Sadie machte es ihr nach. »So siehst du jetzt aus.« Dann kniff sie die Augen zusammen. »Und so hast du noch vor einer Minute ausgesehen. Du hast so laut geschnarcht, dass die Wände gewackelt haben.«
Maggie lachte. »Die Stühle auch?«
»Die Stühle haben gewackelt, der Tisch hat gewackelt. Ich hab aus dem Fenster gesehen und sämtliche Häuser in St. Kilda haben gewackelt. Ich glaube, niemand auf der Welt schnarcht so laut wie du.«
»So wie jetzt?« Maggie grunzte fünfmal, dann musste sie wieder lachen.
»Nein, jetzt klingst du wie ein Schweinchen. Da ist wohl ein kleines Ferkelchen mit von Hobart gekommen.«
Maggie grunzte wieder, dann schlang sie die Arme um Sadies Hals. »Das macht Spaß.«
»Ja, du hast recht.« Sadie umarmte sie fest. »Weißt du was, Maggie? Ich habe dich ganz doll lieb.«
»Ich dich auch.« Maggie entschied sich, ihr etwas zu sagen. »Ich muss dir ein Geheimnis verraten, Sadie.«
»Wirklich, Maggie? Was denn?«
Maggie stellte sich hin, legte die Hände an Sadies linkes Ohr und flüsterte: »Du bist meine Lieblingstante.«
»Wirklich?« Sadie strahlte sie an. »Ich?«
Maggie nickte.
Sadie umarmte sie wieder. »Soll ich dir auch ein Geheimnis verraten? Du bist meine Lieblingsnichte.«
»Du hast doch nur eine Nichte.«
»Aber du
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