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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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immer dieselbe, nur an einem anderen Ort.
    »Du darfst dir keine Vorwürfe machen, Maggie.« Das hatten alle zu ihr gesagt, von ihrem Chef über Leo bis zu Clementine, Juliet, Eliza und Miranda.
    Aber sie machte sich Vorwürfe. Denn was der Mann getan hatte, war ihre Schuld.
    Wenn sie doch nur die Zeichen richtig erkannt hätte, als sie zuvor mit ihm im Foyer vor den Konferenzräumen gesprochen hatte. Er war ihr aufgefallen, als sie sich einen Tee gemacht hatte. Er hatte nervös gewirkt. Sie hatte es auf den schrecklichen Verkehr geschoben. Viele Leute hatten sich über Verspätungen und Verkehrsstaus beklagt. Sie hatte ihm das Milchkännchen gereicht. Er hatte sie für eine Serviererin gehalten. Daran war sie gewöhnt. Sie hörte ständig, dass sie wie eine Studentin wirkte. In ihrer Firma hatte man sich einen Witz daraus gemacht, Maggie bei einem Termin vorzuschicken und dann die verblüfften Gesichter zu beobachten, wenn sie sich als Leiterin der Finanzabteilung entpuppte und nicht als das Mädchen, das für die Getränke zuständig war.
    Sie hatte das Gefühl, dass sie sich an jenem Morgen unausgesprochen mit ihm verstanden hatte. Hatte das Schicksal sie beide zusammengeführt, wenn auch nur für so kurze Zeit? Hätte sie ihn davon abhalten können?
    Miranda wurde angesichts solcher Äußerungen sehr ungehalten. »Wie denn? Du bist ein Genie in Mathematik, nicht in Psychologie. Selbst seine Frau hat zugeben müssen, dass ihr sein wahrer Zustand nicht aufgefallen ist.«
    Eliza hatte zu dem Thema auch viel zu sagen. »Es war sein Lebensweg, Maggie. Er hat dich vermutlich nicht einmal zur Kenntnis genommen.«
    Juliet hatte ebenfalls versucht, sie zu trösten. »Liebes, du hättest wirklich nichts tun können. Es war allein sein Entschluss. Das hatte doch überhaupt nichts mit dir zu tun.«
    Es hatte ausschließlich mit ihr zu tun. Das hatte er deutlich zum Ausdruck gebracht, als er vor sämtlichen Gesellschaftern aufgestanden war und gesagt hatte, dass er das tun würde, weil seine Lebensgrundlage zerstört war, weil irgendein gesichtsloser, herzloser Buchhalter beschlossen hatte, seine Abteilung mit einem Federstrich dichtzumachen. Und noch bevor ihn jemand aufhalten konnte, hatte er in seine Tasche gegriffen und …
    Selbst jetzt wurde ihr noch übel, wenn sie daran dachte. Es war ihre Schuld. Es war ihre Entscheidung gewesen – ihre Arbeit, ihre Analyse -, die dazu geführt hatte, dass seine Abteilung geschlossen wurde.
    »Du hast doch nur deinen Job gemacht«, hatte Leo gesagt.
    Ihren Job? War so etwas womöglich schon vorher passiert, ohne dass sie sich dessen bewusst war? Hatte das, was sie bis zu diesem Tag lediglich für eine besondere Fähigkeit gehalten hatte, die ihr einen schnellen Weg durch Schule und Universität, von Jobangebot zu Jobangebot geebnet hatte, während all dieser Zeit das Leben anderer zerstört? Bei dem Gedanken konnte sie nachts nicht mehr schlafen. Wie hatte sie so naiv sein können?
    Noch naiver allerdings war ihr Glaube gewesen, Angus würde ihr zur Seite stehen.
    »Du musst das Positive daran sehen«, hatte Miranda gesagt. »Du hast so ziemlich das Schlimmste, was dir in deinem Leben passieren konnte, an einem einzigen Tag hinter dich gebracht. Gewissermaßen ein Schicksalsdoppelschlag.«
    Es war ihr wie ein vierfacher Schlag vorgekommen. Sie hatte das Bürogebäude in einem Schockzustand verlassen, nachdem sie endlos lange von der Polizei und ihren Arbeitgebern befragt worden war und sich nach nichts mehr gesehnt hatte als ihrem Bett, Angus’ Mitgefühl und Trost. Sie war aus dem Taxi gestiegen, zur Tür gegangen, hatte die Tür aufgeschlossen, war zu seinem Arbeitszimmer gegangen und dort gleich in die nächste Szene gestolpert, die sie am liebsten aus ihrem Gedächtnis verbannt hätte: ihr langjähriger Freund, nackt, bis auf seine Socken, sich rhythmisch auf einer vollständig nackten Frau bewegend. Nicht irgendeiner Frau. Einer hübschen blonden Frau namens Lauren, bis zu jenem Moment Maggies beste Freundin.
    »Wenigstens hast du ein gehöriges Theater veranstaltet«, hatte Miranda zu Maggies Schilderung dessen gesagt, was dann geschehen war. »Ich hätte mich viel mehr aufgeregt, wenn du vor ihren Augen in Tränen ausgebrochen wärst.«
    Maggie hatte getobt und gebrüllt und beide angeschrien, die verstreuten Kleider gepackt und aus dem Fenster geworfen. Den Inhalt einer Vase über beide geleert.
    »Gut, dass du keine Salzsäure im Haus hattest«, hatte Miranda

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