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Die Toechter der Familie Faraday

Die Toechter der Familie Faraday

Titel: Die Toechter der Familie Faraday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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kommentiert.
    Maggie hatte sich zwei Koffer geschnappt, ihre Sachen hineingeworfen und sich ein weiteres Taxi gerufen. Zehn Minuten später hatte sie auf dem Rücksitz gesessen, gezittert und kaum sprechen können. Der Fahrer hatte mehrere Anläufe gebraucht, um ihr das Fahrtziel zu entlocken. Schließlich hatte sie ihm den Namen eines Hotels in Mayfair genannt, in dem Miranda bei ihren London-Besuchen immer wohnte.
    Sie hatte erst geweint, als sie das Hotelzimmer betreten und sich auf das große Doppelbett fallen gelassen hatte. Aber nicht um Angus. Ihr war erst später bewusst geworden, dass sie seinetwegen an jenem Abend keine einzige Träne vergossen hatte. Ihre Tränen waren für den armen Mann aus dem Büro geflossen. In dem Moment war ihr aufgegangen, dass sie Angus nichts davon gesagt hatte. Zwei Tage später, als sie sich zu einer förmlichen Aussprache trafen, um ihre Beziehung zu beenden, erzählte sie es ihm ebenfalls nicht. Sie wollte nicht. Falls es ihn interessierte, konnte er alles über den Vorfall aus der Presse erfahren. Während sie und Angus eine frostige Unterhaltung führten, um sich auseinanderzudividieren, hatte Miranda draußen in der Limousine, die sie extra für diesen Tag gemietet hatte, gewartet, geraucht und mit dem attraktiven, dreißigjährigen Fahrer geflirtet. Als Maggie endlich mit ihren wenigen Habseligkeiten erschien, war Miranda mit ihr zum Mittagessen ins teuerste ihr bekannte Restaurant Londons gefahren.
    Maggie wusste nicht, was sie in dieser Zeit ohne Miranda getan hätte, ohne die täglichen Anrufe ihrer Mutter aus Tasmanien oder die Karten und Blumen ihrer anderen Tanten. Diese Phase lag in einem seltsam verschwommenen Nebel. Erst jetzt, drei Monate später, hatte sie das Gefühl, dass sich ihr Leben wieder ein klein wenig normalisierte.
    Sie hatte es niemandem erzählt, doch in der ersten Woche in New York hatte sie das Apartment kaum verlassen. Sie hatte viel zu viel Angst gehabt. Sie hatte fast jeden Tag geweint und sich für ihre Schwäche gescholten. Sie hatte eine Box mit Opern-CDs gefunden und sie unentwegt gehört, wobei die Theatralik und Schönheit der Musik nur weitere Tränen entfesselten. Doch sie hatte nicht mehr dagegen angekämpft und die Tränen im Takt zur Musik fließen lassen.
    Nach sechs Tagen hatte sie sich hinaus in den kleinen Park gewagt. Es war beruhigend, die Bäume zu zählen (fünfundvierzig) und sich auf alle Bänke zu setzen. Erst in der zweiten Woche hatte sie sich auf die geschäftigen Straßen und an das Mysterium des New Yorker U-Bahn-Systems gewagt. Es tat gut, wieder unter Menschen zu sein.
    Sie machte eine Liste mit Sehenswürdigkeiten und zwang sich, zwei pro Tag zu besichtigen. Wenn sie abends in ihr Apartment zurückkehrte, strich sie das Gesehene von der Liste: das Empire State Building, Carnegie Hall, das Chrysler Building, Grand Central Station, Wall Street, Ellis Island, die Freiheitsstatue. Sie nahm an Gruppenführungen teil, geführten Spaziergängen durch die Stadt, las jedes Wort auf jeder Broschüre, sah hinauf zu den Wolkenkratzern und hinunter in die Straßenschluchten, ließ sich auf den Anblick und die Geräuschkulisse der Stadt ein, der Yellow Cabs, der geschäftigen Fußgänger, der tadellos gekleideten Menschen mit ihren Einkaufstüten, der Kutschen im Central Park.
    Sie achtete auf winzige Details und prägte sich alles ein, wie geistige Schnappschüsse. Das Dach des Chrysler Building, das sich schimmernd vor einem strahlend blauen Himmel abhebt. Sechs Fußgänger an einer Ampel, alle mit Tüten in der linken, einem Handy in der rechten Hand, wie die Revuetruppe aus einem Broadway-Musical. Eine Hundeausführerin im Central Park, Leinen in beiden Händen, die Hunde ziehen sie wie ein Huskyteam hinter sich her. Eine Flotte gelber Schulbusse, darin die adrett gekleideten Kinder von Privatschulen, die von einer Frau mittleren Alters mit einem Walkie-Talkie dirigiert wird. Maggie streichelte den Bullen in der Wall Street. Sie aß drei Austern in der Grand Central Station und sah schweigend auf die Stelle, an der das World Trade Center gestanden hatte. Sie stopfte sich tagsüber den Kopf mit Manhattan voll, um nachts die Gedanken an London zu verdrängen. Sie hätte einen Reiseführer schreiben können – New York für Verstörte .
    Wenn sie mit ihrer Familie sprach, bemühte sie sich, fröhlich zu klingen. Natürlich redeten sie untereinander über sie. Sie benutzten alle dieselben Sprüche.
    »Eine kleine Auszeit wird

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