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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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seinen eigenen Ansichten übereinstimmen ließ. Wenn Gott so war wie Arnes Gott, dann konnte er ihr gestohlen bleiben.
    »Aber Asta, ich verstehe nicht. Warum tust du das?«
    Seine Stimme klang quengelnd wie die eines kleinen Jungen, aber sie würdigte ihn nicht einmal einer Antwort. Er stand weiter in der Türöffnung und rang die Hände, während er sah, wie Stück um Stück aus Schubladen und Schränken verschwand. Sie hatte nicht vor zurückzukommen, also war es das beste, alles sofort mitzunehmen.
    »Wo willst du denn hin? Du hast doch sonst nichts, wo du hingehen kannst?«
    Jetzt begann er zu flehen, aber die ungewöhnliche Situation ließ sie nur schaudern. Sie versuchte nicht an all die Jahre zu denken, die sie vergeudet hatte. Glücklicherweise war sie pragmatisch veranlagt. Was gewesen war, war gewesen. Jetzt aber gedachte sie keinen Tag ihres Lebens mehr zu verschwenden.
    Sich deutlich bewußt, daß ihm die Situation immer mehr aus den Händen glitt, versuchte Arne es mit einem bewährteren Mittel und wollte die Kontrolle durch das Erheben der Stimme zurückbekommen: »Asta, jetzt ist Schluß mit diesen Dummheiten. Pack sofort wieder deine Sachen aus!«
    Einen Augenblick unterbrach sie ihr Tun und warf ihm einen Blick zu, der vierzig Jahre Unterdrückung zusammenfaßte. Sie sammelte all ihren Zorn, all ihren Haß und schleuderte sie ihm entgegen. Zu ihrer Befriedigung sah sie, daß er zurückfuhr und vor ihrem Blick zusammenschrumpfte, und als er wieder sprach, geschah das mit leiser, kläglicher Stimme. Der Stimme eines Mannes, der einsah, die Kontrolle für ewig verloren zu haben.
    »Ich meinte doch nicht … Ich meine, ich hätte natürlich nicht so mit dem Mädchen sprechen sollen, das sehe ich jetzt im nachhinein ein. Aber ihr fehlte der Respekt in einem solchen Maße, und als sie sich so aufsässig zu mir verhielt, konnte ich Gottes Stimme zu mir sagen hören, ich sei gezwungen einzugreifen und …«
    Asta unterbrach ihn brüsk: »Arne Antonsson. Gott hat nie zu dir gesprochen und wird es nie tun. Du bist zu dumm und zu taub dafür. Und was dieses Gerede angeht, das ich mir vierzig Jahre angehört habe, also, daß du niemals Pfarrer werden durftest, weil dein Vater das Geld versoffen hat, da will ich dir nur sagen, an Geld hat’s nicht gefehlt. Deine Mutter hielt das Geld fest in der Hand und ließ deinen Vater nicht mehr als nötig versaufen. Aber sie erzählte mir, bevor sie starb, daß sie ihr gemeinsames Geld nicht zum Fenster rauswerfen wollte, indem sie dich zum Pfarrer ausbilden ließ. Sie mag ein böses Weib gewesen sein, aber sie war hellsichtig und sah, daß du nicht dazu geeignet warst.«
    Arne schnappte nach Luft und starrte sie an, während sein Gesicht immer bleicher wurde. Einen Augenblick glaubte sie, er würde eine Herzattacke erleiden, und gegen ihren Willen wurde sie etwas milder. Aber dann drehte er sich auf dem Absatz um und marschierte aus dem Haus. Äußerst langsam ließ sie die Luft zwischen den Lippen entweichen. Sie hatte kein Vergnügen daran gehabt, ihn zu vernichten, aber er hatte ihr am Ende keine Wahl gelassen.
     
    Göteborg 1954
     
    Sie verstand nicht, wie sie ständig so vieles falsch machen konnte. Wieder einmal war sie hier unten im Keller gelandet, und in der Dunkelheit schmerzten die Wunden am Po noch viel mehr. Die Schnalle hatte die Haut aufgerissen, und diese Seite des Gürtels benutzte Mutter nur dann, wenn sie richtig ungezogen gewesen war. Sie konnte nur nicht begreifen, was so furchtbar daran war, wenn sie sich einen ganz, ganz kleinen Keks nahm. Die hatten doch so gut ausgesehen, und die Köchin hatte so viele davon gebacken, daß man es nicht merken würde, wenn ein einziger verschwand. Aber manchmal fragte sie sich, ob ihre Mutter es spüren konnte, wenn sie im Begriff war, sich etwas Gutes in den Mund zu stopfen. Lautlos schlich sie sich von hinten heran, genau, wenn man die Hand nach dem Leckerbissen ausstreckte, und dann blieb einem nichts anderes übrig, als sich zu wappnen und zu hoffen, daß Mutter einen guten Tag hatte und nur eine der milderen Strafen folgte.
    Anfangs hatte sie versucht, Vater flehend anzusehen, aber er schaute immer weg, nahm seine Zeitung und setzte sich auf die Veranda, während Mutter die von ihr gewählte Bestrafung vornahm, fetzt versuchte sie es gar nicht erst, von ihm Hilfe zu bekommen.
    Sie zitterte vor Kälte. Leise rasselnde Geräusche wuchsen in ihrem Kopf zu riesigen Ratten und Spinnen, und sie konnte hören, wie

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