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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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daß jemand sie dort hingelegt haben mußte. Aus irgendeinem Grund hatte diese Person das schlafende Kind aus dem Wagen genommen, war ums Haus geschlichen und hatte es auf die Erde gelegt. Die Panik, die diese Erkenntnis auslöste, ließ Erica erneut schluchzen.
    »Schhh, es ist vorbei«, sagte Dan. »Wir haben sie gefunden, und sie sieht doch unverletzt aus. Aber wir sollten die Polizei sofort benachrichtigen. Denn du bist wohl nicht dazu gekommen?«
    Erica schüttelte den Kopf. »Wir müssen Patrik Bescheid geben«, sagte sie. »Kannst du das machen, ich will sie nie wieder loslassen.« Sie drückte Maja fest an sich. Aber jetzt bemerkte sie etwas, das sie bisher übersehen hatte. Sie musterte Dans Pullover und hielt Maja ein Stück von sich, um auch sie zu betrachten.
    »Was ist das hier?« fragte sie. »Was ist all das Schwarze?«
    Dan schaute auf den beschmutzten Strampler und sagte nur: »Wie ist Patriks Nummer?«
    Erica rasselte seine Handynummer mit zitternder Stimme herunter und achtete darauf, was Dan eingab. Ein Angstklumpen lag ihr schwer im Magen.
     
    Die Tage vermischten sich miteinander. Das Gefühl der Machtlosigkeit lahmte. Nichts, was sie sagte oder tat, entging ihm. Er überwachte jeden ihrer Schritte, jedes Wort.
    Auch die Gewalt hatte zugenommen. Jetzt genoß er es offen, ihren Schmerz und ihre Erniedrigung zu sehen. Er nahm, was er haben wollte, und Gnade ihr, wenn sie protestierte oder sich wehrte. Aber auf diese Idee kam sie jetzt nicht einmal mehr. Es war so offensichtlich, daß in seinem Kopf etwas ausgerastet war. Alle Sperren waren eingerissen, und in seinen Augen saß etwas Böses, das ihren Uberlebensinstinkt weckte und ihr sagte, sich auf alles einzulassen, was er begehrte. Damit sie nur am Leben blieb.
    Was sie selbst betraf, war sie völlig abgestumpft. Zu sehen, wie es den Kindern erging, schmerzte sie am meisten. Sie durften den Kindergarten nicht mehr besuchen und verbrachten ihre Tage im selben Schattendasein wie sie. Apathisch und sich an sie klammernd, sahen sie mit toten Augen zu ihr auf, und sie empfand es als Anklage. Die Schuld daran nahm sie voll und ganz auf sich. Sie hätte die Kinder beschützen sollen. Hätte Lucas von ihrem Leben fernhalten sollen, wie es ihre Absicht gewesen war. Doch ein einziger Augenblick der Angst hatte genügt, und sie war wieder zu Kreuze gekrochen. Hatte sich eingeredet, es den Kindern zuliebe zu tun, ihrer Sicherheit wegen. Statt dessen hatte sie nur ihrer eigenen Feigheit nachgegeben. Ihrer Gewohnheit, stets den Weg einzuschlagen, der zumindest beim ersten Anblick den geringsten Widerstand bot. Doch diesmal hatte sie sich schwer geirrt. Sie hatte den schmälsten, unwegsamsten und unzugänglichsten Pfad eingeschlagen, und sie hatte ihre Kinder mit auf diesen Irrweg gezwungen.
    Manchmal träumte sie davon, ihn zu töten. Ihm bei dem zuvorzukommen, was, wie sie jetzt wußte, am Ende unausweichlich war. Zuweilen betrachtete sie ihn, wenn er da neben ihr schlief, in den langen Nachtstunden, in denen sie oft wach lag, unfähig, sich so weit zu entspannen, um in den Schlaf entfliehen zu können. Dann spürte sie voller Genuß, wie ihm ein Küchenmesser ins Fleisch drang und den dünnen Faden, der ihn am Leben hielt, zerschnitt. Oder sie spürte das Seil, wenn sie es vorsichtig um seinen Hals schlang und zuzog.
    Aber es blieb bei den wunderbaren Träumen. Etwas in ihr, vielleicht ihre angeborene Feigheit, ließ sie im Bett liegenbleiben, während die dunklen Gedanken gegen ihre Schädeldecke schnellten.
    Manchmal erschien ihr Ericas Tochter in der Nacht. Das Kind, das sie noch nie gesehen hatte. Sie beneidete das Mädchen. Es würde dieselbe Wärme, dieselbe Fürsorge erhalten, die Anna selbst von Erica bekommen hatte, als sie beide zusammen aufwuchsen, mehr wie Mutter und Tochter denn als Schwestern. Aber damals hatte sie das nicht zu schätzen gewußt. Sie hatte sich eingeengt und bevormundet gefühlt. Die Bitterkeit, ausgelöst durch den Mangel an Liebe von der eigenen Mutter, hatte vermutlich ihr Herz verhärtet, so daß es unempfänglich wurde gegenüber dem, was die Schwester zu geben versuchte. Anna hoffte innig, daß Maja besser mit der Liebe umging, die Erica zu geben vermochte. Nicht zuletzt ihrer Schwester wegen. Trotz des Abstandes zwischen ihnen, sowohl was die Jahre als auch die Geographie anging, kannte Anna die Schwester außerordentlich gut, und sie wußte, wenn es jemanden gab, der das verzweifelte Bedürfnis hatte, wiedergeliebt

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