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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Raum zu hören war, und einen Augenblick empfand es Charlotte als peinlich, daß sich aller Blicke auf sie richteten. Dann nahm sie sich zusammen und sagte sich, daß ihre Mutter schon immer einen Hang zur Dramatik hatte, dennoch war ihre Unruhe deshalb nicht weniger echt.
    »Setz dich, dann schaue ich, ob ich für uns etwas Kaffee bekommen kann. Und Niclas ist gleich hier, er kann bestimmt umgehend Bescheid erhalten, das sind doch seine alten Kollegen.«
    »Glaubst du?« sagte Lilian und klammerte sich an den Arm der Tochter.
    »Bestimmt«, erwiderte Charlotte und löste vorsichtig den Griff um ihren Arm. Es erstaunte sie selbst, wie ruhig und gefaßt sie war. Der Verlust von Sara hatte ihre Gefühle abgestumpft, und sie konnte trotz der eigenen Sorge um Stig noch praktisch denken.
    Dankbar sah sie Niclas ins Wartezimmer treten und ging auf ihn zu. »Mama ist ziemlich hysterisch. Ich geh uns allen eine Tasse Kaffee holen, und dann habe ich ihr versprochen, daß du versuchst, mehr über Stigs Zustand in Erfahrung zu bringen.«
    Niclas nickte. Er hob die Hand und strich Charlotte über die Wange. Sie konnte sich tatsächlich nicht erinnern, daß er sie je mit solcher Zärtlichkeit berührt hätte.
    »Wie geht’s dir?« fragte er, aufrichtig beunruhigt, und trotz der traurigen Situation empfand sie so etwas wie Freude.
    »Ganz gut«, antwortete sie und lächelte ihn an zum Beweis, daß sie nicht zusammenbrechen würde.
    »Bestimmt?«
    »Bestimmt. Geh und rede jetzt mit deinen Kollegen, damit wir das hier irgendwie in den Griff kriegen.«
    Er tat, wie ihm geheißen, und eine Weile später, als Lilian und sie an ihrem Kaffee nippten, kam er zurück und setzte sich neben sie.
    »Nun? Was hast du erfahren?« fragte Charlotte bang.
    Niclas’ Miene war düster, als er sagte: »Leider müssen wir uns auf das Schlimmste gefaßt machen. Sie tun, was sie können, aber es ist nicht sicher, daß Stig den heutigen Tag überlebt. Wir können nur abwarten.«
    Lilian schnappte nach Luft und warf sich jetzt Niclas um den Hals, der ihr genauso unbeholfen wie Charlotte über den Rücken strich. Charlotte überkam ein Dejá-vu-Gefühl. In diesem Zustand war Lilian gewesen, als Charlottes Vater starb, und es hatte damit geendet, daß die Ärzte ihr etwas zur Beruhigung geben mußten, damit sie nicht völlig zusammenbrach. Das Ganze war so ungerecht. Einen Gatten zu verlieren war doch schlimm genug.
    Charlotte drehte sich zu Niclas um. »Konnten sie nicht sagen, was ihm fehlt?«
    »Sie nehmen jede Menge Proben und werden bestimmt dahinterkommen. Aber im Augenblick ist es das wichtigste, ihn so lange am Leben zu erhalten, daß man mit der richtigen Behandlung beginnen kann. Wie es im Moment aussieht, könnte es alles sein, von Krebs bis zu irgendeiner Viruskrankheit. Das Einzige, was sie sagten, war, daß er schon längst hätte ins Krankenhaus kommen müssen.«
    Charlotte sah das Schuldbewußtsein in seinem Gesicht. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter. »Du bist auch nur ein Mensch, Niclas. Stig wollte doch nicht ins Krankenhaus, und als du ihn untersucht hast, wirkte es doch nicht so gefährlich, oder? Zwischendurch war er ja auch auf den Beinen und richtig frisch und munter, er sagte doch selbst, daß er keine Schmerzen hatte.«
    »Aber ich hätte nicht auf ihn hören sollen. Verdammt, ich bin doch Arzt, ich hätte es besser wissen müssen.«
    »Vergiß nicht, daß wir den Kopf mit anderem voll hatten«, sagte Charlotte leise, aber nicht leise genug, um es Lilian nicht hören zu lassen.
    »Warum muß uns alles Unglück der Welt zustoßen? Erst Sara, und jetzt Stig«, heulte sie laut und schneuzte sich in die Serviette, die Charlotte ihr geholt hatte. Die Leute im Wartezimmer, die zur Lektüre ihrer Zeitschriften zurückgekehrt waren, schauten wieder auf. »Jetzt mußt du dich ein bißchen zusammennehmen. Die Ärzte tun, was sie können«, sagte sie und versuchte ihre Stimme so sanft wie möglich klingen zu lassen, ohne ihr deshalb die Schärfe zu nehmen.
    Lilian warf ihr einen beleidigten Blick zu, aber gehorchte und hörte mit dem lauten Schluchzen auf.
    Charlotte seufzte und verdrehte die Augen, als sie Niclas ansah. Sie zweifelte nicht daran, daß die Sorge der Mutter um Stig echt war, aber ihre Art, jede Situation zu einem Drama mit sich selbst in der Hauptrolle zu machen, war ungemein anstrengend. Lilian hatte sich immer am wohlsten gefühlt, wenn sie im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, und sie benutzte alle zur Verfügung

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