Die Toechter der Kaelte
feilen - jetzt kam es darauf an, achtsam zu sein und sich keinen Schnitzer mehr zu leisten. Schadensbegrenzung hieß das Motto des Tages.
Er ging ins Wohnzimmer, wo er einen Moment stehenblieb und Simon bewunderte. Er lag mit offenem Mund auf dem Rücken und schnarchte, wobei ihm ein Bein vom Sofa auf den Boden gerutscht war. Die Decke war heruntergefallen, und Mellberg konnte sich den stolzen Gedanken nicht verkneifen, daß er seinen Körperbau an den Sohn weitervererbt hatte. Simon war kein schmächtiger, kleiner Hering, sondern ein kräftig gebauter junger Mann, der sicherlich mal in die Fußstapfen seines Vaters treten konnte, wenn er sich nur ein wenig zusammenriß.
Er stieß ihn mit dem Zeh an.
»Hallo, Simon, Zeit zum Aufwachen.«
Der Junge ignorierte ihn, drehte sich auf die Seite und vergrub sein Gesicht in der Rückenlehne des Sofas.
Gnadenlos traktierte Mellberg ihn weiter. Er selbst schlief am Morgen zwar auch gern länger, aber man war hier ja schließlich nicht im Ferienlager.
»Hallo, aufstehen, hab ich gesagt.«
Immer noch keine Reaktion. Mellberg seufzte. Tja, dann mußte er wohl schweres Geschütz auffahren.
Er ging in die Küche, ließ das Wasser laufen, bis es eiskalt aus dem Hahn kam, füllte eine Kanne voll und kehrte dann in aller Ruhe ins Wohnzimmer zurück. Mit einem vergnügten Lächeln auf den Lippen goß er alles über den unbedeckten Körper seines Sohnes und erzielte damit genau die gewünschte Wirkung.
»Was zum Teufel!« brüllte Simon und sprang innerhalb von zwei Sekunden auf die Füße. Bibbernd schnappte er sich ein Handtuch, das auf dem Boden herumlag, und trocknete sich ab.
»Verdammt, was soll das?« sagte er sauer und zog sich ein T-Shirt an, dessen Vorderseite ein Totenkopf und der Name einer Hardrockband zierten.
»In fünf Minuten gibt’s Frühstück«, verkündete Mellberg und ging pfeifend in die Küche. Einen Moment hatte er tatsächlich die Sorgen um seine Karriere vergessen und war statt dessen äußerst zufrieden mit dem Plan, den er sich für ihre künftigen Vater-und-Sohn-Aktivitäten zurechtgelegt hatte. In Ermangelung von Sexclubs und Spielhallen mußte man mit dem örtlichen Angebot vorliebnehmen, und da gab es in Tanumshede das Museum mit den Felszeichnungen. Nicht, daß er sich sonderlich für dieses Gekritzel auf Stein interessierte, aber es war zumindest etwas, das sie gemeinsam besuchen konnten. Er hatte nämlich beschlossen, daß von jetzt an nicht mehr stundenlang allein gespielt oder ferngesehen wurde bis spät in die Nacht, was jede Kommunikation wirkungsvoll abtötete. Statt dessen würden sie gemeinsam Abendbrot essen, fruchtbare Zwiegespräche führen und den Abend vielleicht noch mit einer Runde Monopoly abschließen.
Beim Frühstück eröffnete er Simon enthusiastisch seine Pläne, mußte jedoch zugeben, daß ihn die Reaktion seines Sohnes etwas enttäuschte. Da mühte er sich nun ab und tat alles dafür, daß sie sich richtig kennenlernten, und zum Dank starrte Simon nur bockig in seine Schüssel Cornflakes. Verzogen war er, jawohl. Es war wirklich höchste Zeit, daß seine Mutter ihn zum Vater geschickt hatte, damit er mal ein bißchen Erziehung genoß.
Seufzend machte Mellberg sich auf den Weg zur Arbeit. Kinder zu haben war wahrlich eine schwere Verantwortung.
Patrik arbeitete bereits seit acht. Er hatte ebenfalls schlecht geschlafen und mehr oder weniger nur auf den Morgen gewartet, um loslegen zu können. Als erstes galt es, herauszufinden, ob das nächtliche Gespräch etwas ergeben hatte. Er zitterte leicht, als er die Nummer wählte, die er inzwischen auswendig kannte. »Krankenhaus Uddevalla.«
Er nannte den Namen des Arztes, den er sprechen wollte, und wartete ungeduldig, während man ihn suchte. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis man ihn schließlich durchstellte.
»Ja, hallo, hier ist Patrik Hedström. Wir haben heute nacht miteinander geredet. Ich wollte fragen, ob Ihnen meine Angaben etwas gebracht haben?«
Er lauschte gespannt und ballte dann die Faust zur Siegergeste. Hatte er also recht gehabt!
Nachdem er aufgelegt hatte, machte er sich pfeifend an die Aufgaben, die sich daraus ergaben. Heute würden sie eine Menge zu tun bekommen.
Der zweite Anruf des Tages ging an den Staatsanwalt. Er hatte ihn vor einem knappen Jahr schon einmal mit der gleichen Anfrage behelligt, und weil sein Wunsch so ungewöhnlich war, hoffte er, daß dieser nicht ungehalten reagierte.
»Ja, Sie haben richtig gehört. Ich brauche
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