Die Toechter der Kaelte
Oberlandesgericht?« fragte Patrik.
»Sie haben einen Balkon angebaut, ohne die Vorschriften zu beachten. Und der ragt zwei Zentimeter auf mein Grundstück, was den Regeln widerspricht. Den werden sie abreißen müssen, sobald das Urteil gefällt ist. Das dürfte dieser Tage hier eintreffen, und es wird mir ein Vergnügen sein, Lilians Miene zu sehen«, freute sich Kaj.
»Meinen Sie nicht, daß die Nachbarn im Moment andere Sorgen als ihren Balkon haben?« konnte Patrik sich nicht verkneifen.
Kajs Gesicht verfinsterte sich. »Ja, ich bin ja nicht gefühllos, aber Recht muß Recht bleiben. Frau Justitia nimmt keine derartigen Rücksichten«, fügte er hinzu und suchte Ernst Blick zur Unterstützung. Der nickte anerkennend, und Patrik sah sich in seiner Sorge wegen der Eignung des Kollegen für die Ermittlung erneut bestätigt. Er hatte schon genug Bedenken gehabt, noch bevor sich herausstellte, daß einer der zu Verhörenden zu dessen Kumpels gehörte.
Sie hatten sich aufgeteilt, um die in der Nähe liegenden Häuser besser abklappern zu können. Ernst brummte vor sich hin, als er sich dem schneidenden Wind entgegenstemmte. Bei seiner Länge war er ein besonders gutes Ziel, und so dünn wie er war, kam er ins Schwanken und mußte kämpfen, um nicht die Balance zu verlieren. Er verspürte Bitterkeit wie einen sauren Geschmack im Mund. Wieder einmal hatte er die Segel vor einem Rotzlöffel streichen müssen, der nur gut halb so alt wie er selbst war. Für Ernst war das ein Rätsel. Wie konnten seine lange Erfahrung und Tüchtigkeit ständig übersehen werden? Konspiration war die einzige Erklärung, die ihm einfiel. Was das Motiv anging und diejenigen, die dahintersteckten, war die Sache etwas unklar, doch das kümmerte ihn nicht weiter. Vermutlich empfand man ihn als Bedrohung, überlegte er, eben aufgrund der Qualitäten, die zu besitzen er überzeugt war.
Das Von-Tür-zu-Tür-Gehen war todlangweilig, und er sehnte sich hinein in die Wärme. Was Vernünftiges hatten die Leute ohnehin nicht zu sagen. Keiner hatte das Mädel am Morgen gesehen, und keiner wußte viel mehr zu sagen, als daß das Ganze so schrecklich sei. Und dem konnte Ernst ja nur zustimmen. Ein Glück, daß er nie die Dummheit begangen hatte, sich Kinder anzuschaffen. Auch was die Weiber betraf, war es ihm recht gut gelungen, sie sich vom Leibe zu halten, dachte er und verdrängte gründlich, daß die Frauen an ihm nie besonderes Interesse gezeigt hatten.
Er schielte hinüber zu Hedström, der sich die Häuser auf der rechten Seite vornahm. Manchmal juckte es ihm wirklich in den Fingern, diesem Burschen ordentlich eins überzubraten. Er hatte sehr wohl gesehen, was Hedström für ein Gesicht gemacht hatte, als er ihn heute morgen mitnehmen mußte. Das hatte Ernst wahrhaftig ein bißchen Befriedigung verschafft. Sonst hingen Hedström und Molin ja wie Pech und Schwefel zusammen und weigerten sich, auf ältere Kollegen wie ihn und Gösta zu hören. Ja, Gösta war vielleicht kein erstklassiges Polizistenexemplar, das mußte Ernst zugeben, aber seine vielen Dienstjahre verdienten Respekt. Und es war ja nicht gerade verwunderlich, daß man die Lust verlor, all seine Energie in die Arbeit zu stecken, wenn man unter den gegebenen Umständen tätig sein mußte. Bei näherem Nachdenken ergab sich eindeutig, daß es die Schuld der jüngeren Kollegen war, wenn auch er meist keine große Lust zur Arbeit verspürte und statt dessen, wann immer es möglich war, eine Pause einschob. Der Gedanke wärmte. Natürlich war es nicht seine Schuld. Nicht, daß ihn bis dahin das schlechte Gewissen geplagt hätte, aber es war doch ein gutes Gefühl, den Finger auf den Ursprung des Problems zu setzen. Sozusagen auf des Pudels Kern. Es war die Schuld der Rotzlöffel. Das Leben erschien ihm mit einemmal um vieles besser. Er klopfte an die nächste Tür.
Frida kämmte ihrer Puppe sorgfältig die Haare. Es war wichtig, daß sie hübsch aussah. Sie sollte zu einem Fest. Auf dem Tisch vor ihr war bereits für Kaffee und Kuchen gedeckt. Winzige Plastiktassen mit schönen roten Tellern dazu. Zwar waren es nur Phantasiekuchen, aber Puppen konnten ja keine richtigen essen, also machte es nichts.
Sara hatte es albern gefunden, mit Puppen zu spielen. Sie hatte gesagt, sie seien zu groß dafür. Puppen wären für Babys, aber Frida spielte mit Puppen, so viel sie nur wollte. Sara konnte manchmal so blöde sein. Immer wollte sie bestimmen. Alles sollte so sein, wie sie es
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