Die Toechter der Kaelte
reagierten die anderen Kinder auf ihr Verhalten?« Patrik war ernsthaft interessiert.
»Verschieden. Manche kamen überhaupt nicht mit ihr zurecht und zogen sich zurück, während andere ihre Ausbrüche anscheinend mit Gleichmut hinnahmen und sich ziemlich gut mit ihr verstanden. Als ihre beste Freundin würde ich wohl Frida Karlgren bezeichnen. Sie wohnten auch nicht weit auseinander.«
»Ja, wir haben mit ihr gesprochen«, sagte Patrik nickend. Er wand sich ebenfalls auf dem Stuhl. In den Beinen machte sich ein unbehagliches Ziehen bemerkbar, und ihm war, als würde er in der rechten Wade bald einen Krampf bekommen.
»Und die Familie«, schob Ernst ein, »ist Ihnen bekannt, ob Sara zu Hause irgendwelche Probleme hatte?«
Patrik mußte ein Lächeln unterdrücken, als er sah, wie auch der Kollege seine Waden massierte.
»Da kann ich Ihnen leider nicht helfen«, erwiderte Beatrice spitz. Es war offensichtlich, daß es nicht ihre Art war, über die heimischen Verhältnisse der Schüler zu tratschen. »Ich kenne ihre Eltern, habe auch die Großmutter irgendwann kennengelernt, und sie schienen mir nette, solide Leute zu sein. Und ich habe auch keine Anzeichen an Sara feststellen können, die darauf hindeuteten, daß etwas nicht stimmt.«
Es klingelte durchdringend zum Zeichen, daß die Pause beendet war, und ein lebhaftes Treiben in der Halle zeugte davon, daß die Kinder den Ruf gehorsam befolgten. Beatrice stand auf und streckte ihnen die Hand hin; das Gespräch war beendet, und Patrik gelang es mühsam, vom Stuhl hochzukommen. Aus dem Augenwinkel sah er, daß Ernst sein offenbar eingeschlafenes Bein heftig massierte. Wie zwei alte Männer stolperten sie aus dem Klassenzimmer, nachdem sie sich von der Lehrerin verabschiedet hatten.
»Verdammt, was für unbequeme Sitzgelegenheiten«, brummte Ernst, während er zum Auto hinkte.
»Ja, man ist wohl nicht mehr der Gelenkigste«, erwiderte Patrik und mühte sich ins Auto. Plötzlich empfand er den bequemen Sitz mit viel Platz für die Beine als ungeheuren Luxus.
»Sprich für dich selber«, raunzte Ernst. »Meine Kondition ist genauso gut wie damals als Teenager, aber zum Teufel, keiner ist doch gebaut, um auf Miniaturmöbeln zu sitzen.«
Patrik wechselte das Thema. »Es war nicht viel Brauchbares, was wir hier bekamen.«
»In meinen Ohren klingt es, als sei die Göre die reinste Pest gewesen«, sagte Ernst. »Heutzutage scheint man alle Kinder, die sich nicht benehmen können, mit irgendeiner Scheißvariante dieses ADHS zu entschuldigen. Zu meiner Zeit wurde ein solches Betragen mit ein paar Linealhieben geheilt. Aber jetzt wird zum Psychologen gerannt und mediziniert und verhätschelt. Kein Wunder, wenn die Gesellschaft zum Teufel geht.« Ernst starrte auf seiner Seite düster aus dem Fenster und schüttelte den Kopf.
Patrik würdigte diese Äußerung keiner Antwort. Sie war es einfach nicht wert.
»Willst du ihr wirklich schon wieder was geben? Zu meiner Zeit bekamen Babys wahrhaftig nur jede vierte Stunde was«, sagte Kristina und schaute Erica kritisch an, die sich im Sessel niedergelassen hatte, um Maja nach »nur« zweieinhalb Stunden zu stillen.
Inzwischen war Erica so klug, nicht dagegen zu argumentieren, und sie ignorierte Kristinas Kommentar. Der war nur einer von vielen, die im Laufe des Vormittags durch die Luft geschwirrt waren, und Erica fühlte, daß sie bald genug hatte. Ihr abgebrochener Putzversuch war, wie erwartet, angemerkt worden. Jetzt fuhr die Schwiegermutter wie eine Verrückte mit dem Staubsauger durch die Räume und gab Kommentare zu ihrem Lieblingsthema ab: die Asthmawirkung von Staub auf kleine Kinder. Zuvor hatte sie sich demonstrativ in die Küche gestellt und alles Geschirr, das auf der Spüle stand, abgewaschen, während sie Erica eingehend über die korrekte Ausführung dieser Tätigkeit instruierte. Man sollte das Geschirr gleich abspülen, damit sich keine Essensreste festsetzten, und es war ohnehin das beste, sich der ganzen Sache sofort anzunehmen, denn sonst bliebe ja doch nur alles stehen … Zähneknirschend versuchte Erica an das Schläfchen zu denken, das sie sich würde gönnen können, wenn Kristina mit dem Kind an die Luft ging. Obwohl sie sich immer mehr fragte, ob das wirklich der Mühe wert war.
Sie setzte sich im Sessel zurecht und versuchte Maja die Brust zu geben. Die Kleine fühlte die Spannungen, sie hatte den größten Teil des Tages geweint und gequengelt, und jetzt sträubte sie sich wie wild. Der
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