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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Decke hob. Nein, die Sache mußte ein Ende haben, beschloß sie, als sie in ihrem Zimmer vor dem Spiegel saß.
    Sie legte letzte Hand an ihre Kleidung und ging nach unten, um mit ihrem Vater zu frühstücken. Sie war gestern bei Anders gewesen, und die Müdigkeit saß ihr noch in den Knochen. Sie nahm am Eßtisch Platz, nachdem sie ihrem Vater die Wange geküßt hatte, und machte sich lustlos daran, die Schale eines Eis aufzuklopfen. Die Müdigkeit war schuld, daß sich ihr bei dem Eigeruch der Magen umdrehte.
    »Was ist, Liebes?« fragte August beunruhigt und betrachtete die Tochter über den großen Tisch hinweg.
    »Nur ein wenig müde«, erwiderte sie kläglich. »Ich habe heute nacht ein bißchen schlecht geschlafen.«
    »Du Ärmste«, sagte er mitleidig. » Versuch etwas in den Magen zu bekommen, dann kannst du ja nach oben gehen und dich ein Weilchen ausruhen. Vielleicht sollten wir auch zu Doktor Fern fahren, um dich untersuchen zu lassen, ich finde, du warst den ganzen Winter über ein wenig schlapp.«
    Agnes konnte ein Lächeln nicht verhindern und verbarg es rasch hinter der Serviette. Mit niedergeschlagenem Blick antwortete sie ihrem Vater: »Ja, ich bin ein bißchen müde gewesen. Aber das lag wohl vor allem an der dunklen Jahreszeit. Du wirst sehen, jetzt, wenn der Frühling kommt, werde ich wieder munterer.«
    »Hmm, ja, wir werden sehen. Aber überleg mal, ob der Doktor nicht doch einen Blick auf dich werfen sollte.«
    »Ja, Vater«, sagte sie und zwang sich, ein Stück von dem Ei zu essen.
    Das hätte sie nicht tun sollen. Im selben Augenblick, als sie es im Mund hatte, fühlte sie, daß ihr Magen in Aufruhr geriet und etwas im Hals emporstieg. Rasch fuhr sie vom Tisch hoch und rannte mit der Hand vorm Mund zum Wasserklosett, das sich im Erdgeschoß befand. Kaum hatte sie den Deckel geöffnet, als auch schon eine Kaskade des gestrigen Abendessens, vermischt mit Galle, ins Becken klatschte, und sie spürte, daß ihre Augen tropften. Ihr Magen rotierte förmlich, und erst als sie ein Weilchen gewartet hatte und nichts mehr zu kommen schien, wischte sie sich angeekelt den Mund ab und trat auf zitternden Beinen aus dem kleinen Raum. Vor der Tür stand ihr Vater und wirkte bekümmert.
    »Mein Liebes, wie geht’s?«
    Sie schüttelte nur den Kopf und schluckte, um den widerlichen Gallegeschmack wegzubekommen.
    August legte ihr den Arm um die Schultern, führte sie in den Salon und piazierte sie auf eins der Sofas. Er legte ihr die Hand auf die Stirn.
    »Aber Agnes, du bist ja völlig schweißnaß. Nein, jetzt rufe ich bei Doktor Fern an, damit er herkommt und dich anschaut.«
    Sie vermochte nur matt zu nicken, legte sich dann aufs Sofa und Schloß die Augen. Hinter ihren geschlossenen Lidern drehte sich der ganze Raum.
     
    Es war, als lebte sie in einer Schattenwelt ohne Verbindung zur Wirklichkeit. Sie hatte keine Wahl gehabt, aber dennoch quälten sie ständig Zweifel, ob sie wirklich richtig gehandelt hatte. Anna wußte, daß es kein anderer verstehen konnte. Warum war sie, nachdem es ihr endlich geglückt war, von Lucas loszukommen, zu ihm zurückgekehrt? Warum, wo er doch Emma angetan hatte, was er getan hatte. Die Antwort war, daß sie zurückgekehrt war, weil sie glaubte, es sei die einzige Überlebenschance für sie und die Kinder. Lucas war immer gefährlich, zugleich aber auch beherrscht gewesen. Jetzt war es, als wäre etwas in ihm geborsten, und die Beherrschung war einem lauernden Wahnsinn gewichen. Nur so konnte sie es nennen: Wahnsinn. Den hatte es immer gegeben, sie hatte ihn immer gespürt. Vielleicht war es dieser untergründige Strom potentieller Gefahr, der sie am Anfang angelockt hatte. Jetzt war er an die Oberfläche gestiegen, und sie hatte Todesangst.
    Daß sie die Kinder genommen und ihn verlassen hatte, war nicht der einzige Grund für das Sichtbarwerden des Wahnsinns gewesen. Mehrere Faktoren hatten zusammengewirkt, um diesen kleinen Schalter in seinem Inneren umzulegen. Der Job, stets sein großes Erfolgsgebiet, hatte ihn ebenfalls im Stich gelassen. Ein paar fehlgeschlagene Geschäfte, und seine Karriere war vorbei. Kurz vor ihrer Rückkehr zu ihm war Anna einem seiner Kollegen über den Weg gelaufen, und der hatte erzählt, daß sich Lucas in der Kanzlei immer absurder aufgeführt hatte, als die Dinge für ihn nicht mehr gut liefen: heftige Zornesausbrüche und aggressive Attacken. Als er schließlich einen wichtigen Kunden an die Wand gepreßt hatte, erfolgte die Kündigung

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