Die Toechter der Kaelte
so weit es nur ging, von ihm weggesetzt und trommelte auf entnervende Weise mit dem Fuß auf den Boden. Hin und wieder ertappte Patrik ihn dabei, wie er wütende Blicke in seine Richtung warf, aber das ließ ihn kalt. Ernst durfte denken, was er wollte, wenn er nur seine Arbeit tat.
»Der Doktor ist jetzt frei«, sagte die Schwester. Sie wies sie in ein Sprechzimmer, wo Niclas hinter einem vollbeladenen Schreibtisch saß. Er sah mitgenommen aus. Niclas stand auf und gab ihnen die Hand, versuchte es sogar mit einem Begrüßungslächeln. Doch das erreichte die Augen nicht, sondern erstarrte zu einer ängstlichen Grimasse.
»Gibt es etwas Neues bei den Ermittlungen?« fragte er.
Patrik schüttelte den Kopf. »Wir arbeiten nach Kräften, doch bisher hat sich nicht viel ergeben. Aber das kommt noch«, sagte er auf eine Weise, die, wie er hoffte, zuversichtlich klang. Doch seine eigenen Zweifel nahmen immer mehr zu. Er war alles andere als sicher, daß sie diesmal Erfolg hatten.
»Und wobei kann ich behilflich sein?« fragte Niclas müde und strich sich übers blonde Haar.
Patrik konnte nicht umhin, festzustellen, daß der Mann vor ihm wie geschaffen für das Titelbild eines dieser romantischen Bücher war, die von anmutigen Krankenschwestern und attraktiven Ärzten erzählten. Sogar jetzt ließ sich sein Charme nicht verkennen, und Patrik konnte nur ahnen, welche Anziehungskraft er auf Frauen ausüben mußte. Nach dem, was er von Erica wußte, hatte das in den Jahren keine günstige Auswirkung auf die Ehe von Charlotte und Niclas gehabt.
»Wir haben ein paar Fragen, den vergangenen Montagmorgen betreffend.« Patrik führte das Wort. Ernst saß noch immer beleidigt schweigend da und ignorierte, daß Patrik ihn mit Blicken ins Gespräch zu ziehen suchte.
»Ja?« sagte Niclas anscheinend unberührt, aber Patrik glaubte ein leichtes Flackern in seinem Blick zu bemerken.
»Du hast angegeben, in der Praxis gewesen zu sein.«
»Ja, wie üblich bin ich Viertel vor acht hergefahren«, sagte Niclas, aber jetzt ließ sich die Nervosität in seiner Stimme nicht überhören.
»Genau das verstehen wir nicht«, fuhr Patrik fort und machte einen letzten Versuch, Ernst mit einzubeziehen. Aber der Kollege starrte nur störrisch aus dem Fenster, das auf den Parkplatz hinausging.
»Wir haben dich an dem Vormittag ja ein paar Stunden lang zu erreichen versucht. Und du warst nicht am Platz. Wir können das bestimmt bei der Schwester kontrollieren«, sagte Patrik und wies auf die Tür. »Ich nehme an, sie führt Buch über deine Termine und kann sehen, ob du in der fraglichen Zeit hier warst.«
Jetzt wand sich Niclas nervös auf dem Stuhl, und an der Schläfe zeigte sich ein Schweißtropfen. Aber er mühte sich dennoch, unberührt zu wirken, und Patrik mußte zugeben, daß er es ziemlich gut machte, als er mit ruhiger Stimme sagte: »Ja, genau, jetzt erinnere ich mich. Ich hatte mir freigenommen, um mir ein paar zum Verkauf stehende Häuser anzusehen. Ich habe Charlotte nichts davon gesagt, weil ich sie überraschen wollte.«
Die Erklärung hätte glaubwürdig geklungen, wäre da nicht diese Spannung gewesen, die Patrik unter dem ruhigen Ton wahrnahm. Er glaubte Niclas nicht einen Augenblick.
»Könntest du ein bißchen präziser sein. Welche Häuser waren es, die du dir angesehen hast?«
Niclas lächelte angestrengt und schien zu überlegen, wie er Zeit gewinnen könnte. »Ich muß wohl erst mal nachsehen, ich erinnere mich nicht genau«, sagte er zögernd.
»So viele Häuser stehen hier ja wohl kaum gleichzeitig zum Verkauf, du mußt doch wenigstens wissen, in welchen Gegenden du warst?« Patrik setzte ihm mit seinen Fragen weiter zu, und er bemerkte, daß Niclas immer nervöser wirkte. Was auch immer er an jenem Vormittag gemacht hatte, Häuser jedenfalls hatte er nicht angeschaut.
Einige Minuten des Schweigens folgten. Es war offensichtlich, daß die Gedanken hinter Niclas’ Stirnbein wirbelten. Aber dann sah Patrik, daß er nachgab und gleichsam zusammensackte. Jetzt konnten sie vielleicht weiterkommen.
»Ich …«, Niclas’ Stimme brach, und er fing von vorn an. »Ich will nicht, daß Charlotte es erfährt.«
»Wir können nichts versprechen. Aber die Dinge haben die Tendenz, früher oder später ans Licht zu kommen, jetzt hast du die Möglichkeit, uns deine Version zu bieten, bevor wir die Version irgendeines anderen hören.«
»Aber ihr versteht nicht. Es würde Charlotte total fertigmachen, wenn …« Wieder brach
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