Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
Vom Netzwerk:
Sammelergebnis vieler Jahre. Manche Hefte wirkten neu, andere schienen ein stattliches Alter zu haben.
    »Du bist an Computern interessiert, sehe ich«, sagte Martin.
    Morgan schaute ihn nur an, ohne die Selbstverständlichkeit dieser Behauptung zu kommentieren.
    »Woran arbeitest du?« fragte Gösta, um das peinliche Schweigen zu brechen.
    »Ich mache Computerspiele. Meistens Fantasy«, erwiderte Morgan. Er ging, wie um Schutz zu suchen, auf einen der Rechner zu, und Martin merkte jetzt, daß er sich ruckartig und linkisch bewegte, wodurch ständig die Gefahr bestand, daß er einen der Haufen umriß. Aber irgendwie gelang es ihm, das zu vermeiden, und ohne ein Malheur zu verursachen, nahm er vor einem der Computer Platz. Er schaute Martin und Gösta ausdruckslos an, die unschlüssig mitten im Chaos standen und sich fragten, wie sie mit der Befragung dieses merkwürdigen Individuums fortfahren sollten. Es war schwierig, den Finger auf den Punkt zu setzen, wo es bei ihm nicht stimmte, aber es gab diesen Punkt.
    »Wie interessant«, sagte Martin. »Ich habe mich immer gefragt, wie in aller Welt man es anstellt, all diese phantastischen Welten zu erfinden. Dazu braucht man bestimmt eine mordsmäßige Phantasie.«
    »Ich kann die Spiele nicht erfinden. Andere tun das, und ich codiere. Ich habe Asperger«, fügte Morgan trocken feststellend hinzu. Martin und Gösta wechselten einen weiteren verwirrten Blick.
    »Asperger«, sagte Martin, »ich weiß leider nicht, was das beinhaltet.«
    »Nein, die wenigsten wissen es«, erwiderte Morgan. »Es ist eine Form des Autismus, aber eine Form, bei der man meist normale bis hohe Intelligenz besitzt. Meine Intelligenz ist hoch. Sehr hoch«, fügte er hinzu, ohne diese Behauptung dem Anschein nach zu bewerten. »Uns, die Asperger haben, fällt es schwer, so etwas zu verstehen wie Gesichtsausdruck, Vergleiche, Ironie und Stimmlagen. Deshalb haben wir Probleme, sozial zu interagieren.«
    Es klang, als lese er aus einem Buch vor, und Martin mußte sich anstrengen, um Morgans Vortrag zu folgen.
    »Also kann ich selber keine Computerspiele erschaffen, da es erforderlich ist, daß man sich Gefühle und ähnliches bei anderen Menschen vorstellen kann, anstelle dessen bin ich aber einer von Schwedens besten Programmierern.« Die Worte klangen neutral, waren weder von Prahlerei noch Wichtigtuerei gefärbt.
    Martin war gegen seinen Willen fasziniert. Er hatte noch nie zuvor von Asperger gehört, und was Morgan erzählte, weckte sein echtes Interesse. Aber sie waren hier, um ihren Job zu machen, und es war das beste, endlich in Gang zu kommen.
    »Können wir uns irgendwo setzen?« fragte er und schaute sich im Raum um.
    »Aufs Bett«, erwiderte Morgan und wies auf die schmale Schlafgelegenheit, die an der Längsseite stand. Vorsichtig gingen die Männer zwischen den Zeitschriftenbergen hindurch und setzten sich auf die Bettkante. Gösta ergriff zuerst das Wort.
    »Du weißt ja, was letzten Montag bei Florins passiert ist. Hast du an dem Morgen etwas Besonderes beobachtet?«
    Morgan gab keine Antwort, sondern sah sie nur ausdruckslos an. Martin begriff, daß »etwas Besonderes« vielleicht zu abstrakt für ihn war, und versuchte die Frage konkreter zu formulieren. Er konnte sich nicht vorstellen, wie schwer es sein mußte, in der Gesellschaft zu funktionieren, wenn man all die zwischen den Zeilen liegenden Botschaften der menschlichen Kommunikation nicht zu deuten wußte.
    »Hast du gesehen, als das Mädchen losging?« fragte er versuchsweise und hoffte, sich exakt genug ausgedrückt zu haben, damit Morgan darauf antworten konnte.
    »Ja, ich habe gesehen, als das Mädchen losging«, sagte Morgan und verstummte dann, sich nicht bewußt, daß in der Frage mehr als nur der genaue Wortlaut lag.
    Martin hatte die Sache jetzt begriffen und präzisierte: »Um welche Uhrzeit hast du sie losgehen sehen?«
    »Raus ging sie zehn nach neun«, sagte Morgan, noch immer im selben hohen, schrillen Ton.
    »Hast du an dem Morgen noch jemand anders gesehen?« fragte Gösta.
    »Ja«, erwiderte Morgan.
    »Wen hast du an dem Morgen gesehen und um welche Zeit?« fuhr Martin fort, um Gösta zuvorzukommen. Er spürte es mehr, als daß er es sah, daß der Kollege allmählich mit einiger Frustration auf das merkwürdige Befragungsopfer reagierte.
    »Um Viertel vor acht habe ich Niclas gesehen«, antwortete Morgan.
    Martin notierte sorgfältig, was Morgan sagte. Er zweifelte keine Sekunde daran, daß die Zeitangaben exakt

Weitere Kostenlose Bücher