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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Hemdes. „Ich weiß, dass zurzeit viele andere Dinge wichtiger sind“, hub sie an. „Aber ich habe jemandem, der uns nah steht, mein Versprechen gegeben.“ Sie stemmte sich eine Hand unters Kinn, wobei ihre nackten Brüste zur Seite baumelten. Christoforo erstarrte. Er wollte das nicht hören, oder? Mit fliegenden Fingern ergriff er Mantel und Schwertgürtel und steuerte auf die Tür zu. „Ein anderes Mal, Liebste. Ich bin schon zu lange geblieben.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, warf er ihr eine Kusshand zu und verließ überstürzt den Raum.
     
    *******
     
    Emilia hörte die Tür ins Schloss fallen. Mit geübten Bewegungen warf sie sich das Kleid ihrer Signora über den linken Unterarm und hob mit der freien Hand die Schuhe vom Boden auf. Mit dem Ellenbogen drückte sie die rostige Türklinke und betrat die Schlafkammer. „Guten Morgen, Signora. “ Desdemona saß mit einem verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht auf der Bettkante. „Guten Morgen, Emilia.“ Etwas schien ihr auf dem Herzen zu liegen. „Stimmt etwas nicht?“, erkundigte sich Emilia, während sie die Utensilien für Desdemonas Morgenwäsche zurechtlegte. „Es ist merkwürdig“, antwortete die junge Frau grüblerisch. „Ich wollte Christoforo bitten, Marcantonio Bragadin heute Abend zum Essen einzuladen, aber er hat so fluchtartig das Zimmer verlassen, als ob ihm der Leibhaftige auf den Fersen wäre.“ Sie runzelte die Stirn, erhob sich und kramte gedankenverloren in einer ihrer Schmuckschatullen. Offensichtlich erwartete sie keine Antwort von ihrer Zofe, weshalb diese damit begann, das Bett aufzuschütteln. Nach einigen Minuten gab Desdemona die Suche jedoch auf und fragte: „Emilia, hast du meinen zweiten Perlenohrring gesehen?“

Kapitel 30
     
Zypern, auf den Zinnen von Famagusta, Mai 1571
     
    Die erste Maihälfte war katastrophal verlaufen. Die Türken hatten begonnen, Gräben zu ziehen, die ihre Batterien mit dem äußeren Wall des Schanzwerkes verbanden, und inzwischen beinahe den breiten Burggraben erreicht. Obgleich die Zinnen mit so vielen Musketieren besetzt waren, dass sich deren Schultern berührten, war es den Eingeschlossenen dennoch kaum gelungen, die Reihen des Feindes auszudünnen. Denn der osmanische Aga , Mustafa Pascha, hatte eine kluge Taktik ersonnen, um seine Männer vor den feindlichen Projektilen zu schützen. Er hatte seinen Soldaten befohlen, die Stämme alter Olivenbäume in Bretter zu spalten und damit die Gräben zu überdachen. Daher prallten die Musketenkugeln, ohne Schaden anzurichten, von den dicken Bohlen ab und trafen nur hie und da ein unvorsichtiges Mitglied der Vorhut. Außerdem war es beinahe unmöglich, mit den langsam glimmenden Luntenschlossgewehren die gefürchteten berittenen Bogenschützen zu treffen.
     
    Mustafa Pascha führte die Sturmangriffe auf seinem stolzen, nervös tänzelnden Araberhengst persönlich an. Mit diesem preschte er die weite, offene Ebene vor den Mauern der belagerten Stadt auf und ab. Gelegentlich erhaschte Francesco einen Blick auf sein Gesicht – auf die glatt rasierten, edlen Züge – und gegen seinen Willen musste er zugeben, dass er die Gründlichkeit, mit der dieser kampferfahrene Mann jeden einzelnen Schritt zu planen schien, bewunderte. Inzwischen war Francesco sich ganz sicher, dass die Türken mit dem jetzigen Angriff das Landtor, die Porta de Limassol , erobern wollten. Und dass sie versuchen würden, den Ravelin und die Bastionstürme zu unterminieren. Einerseits war diese Aussicht furchterregend, doch auf der anderen Seite – vom Standpunkt eines waffengeschulten Adjutanten – sah er auch eine Chance darin. Er musste sich der Tatsache stellen, dass ihnen früher oder später die Munition ausgehen würde. Sollte es ihnen gelingen, die Minen der Angreifer zu entschärfen, würden sie zusätzliches Schießpulver gewinnen, da diese aus riesigen Fässern bestanden, die mit dem heiß begehrten Gemisch gefüllt waren.
     
    Plötzlich wurden seine Beobachtungen von erregten Ausrufen zu seiner Linken unterbrochen. Mehrere Soldaten zeigten fuchtelnd auf eine kleine Gestalt, die an der Außenmauer der Stadt zu kleben schien. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Francesco klar wurde, dass es sich um einen Mann aus ihren eigenen Reihen handelte, der den Angreifern willentlich in die Arme lief. Als er die trockene Grasnarbe des Walles erreichte, wedelte er wild mit einem weißen Stofffetzen und hob in einer Geste der Kapitulation die Arme. Was hatte der Mann vor?

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