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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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geglaubt, sich den Magen verdorben zu haben. Als sich der Schmerz jedoch mit jeder Minute verschlimmerte, war ihr kalte Furcht den Rücken hinaufgekrochen, und tief in ihrem Inneren hatte sie geahnt, dass es sich dieses Mal um etwas weit Ernsteres handelte.
     
    Sie würgte, und eines der Sklavenmädchen, die ihren Leib mit großen Pfauenfedern kühlten, half ihr, sich aufzusetzen und hielt ihr eine Schüssel vor den Mund. Aber sie hatte sich bereits ein Dutzend Mal erbrochen, sodass außer Galle nichts mehr in ihrem Magen war. Gott, tat das weh! Starb sie? Eine weitere Welle der Pein lief durch ihren Körper, und instinktiv verkrampften sich ihre Muskeln, um die Qual zu unterdrücken. Doch es half nichts. Sie hörte sich selbst wimmern, als ihr Kopf in die feuchten Kissen zurückfiel. Das nasse Haar klebte an ihrem Gesicht wie feuchter Seetang. Die Sicht wurde von blutigen Schlieren, die über ihre Augäpfel zu schwimmen schienen, verschleiert. Und die Sonnenstrahlen, die durch die Reihe hoher Arkadenfenster fielen, schmerzten wie scharfe Klingen. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte, sich auf die Teile ihres Leibes zu konzentrieren, die nicht lichterloh brannten. Wie konnte das passieren, fragte sie sich benommen.
     
    Plötzlich drangen männliche Stimmen an ihr Ohr, die sie zuerst nicht verstehen konnte. Sie öffnete die brennenden Lider, und zwei Gesichter schwammen über ihrem Kopf in ihr Blickfeld. „Sie ist vergiftet worden.“ Die Worte und die Lippenbewegungen des Hekim waren seltsam gegenläufig, doch ihre Bedeutung brannte sich ebenso unaufhaltsam in ihr Bewusstsein ein, wie die Flut die Küstenlinie verschlang. Die anderen Züge waren Selims, der wütend wirkte. Auf sie? „Ich weiß“, erwiderte der Sultan. „Ich habe persönlich die Auspeitschung des Koches beaufsichtigt, aber der Hund hat geschworen, dass er nicht weiß, was die verschleierte Frau ihm gegeben hat.“ Er bleckte die Zähne. „Er ist bis zum letzten Atemzug bei seiner Geschichte geblieben.“ Elissa schauderte. „Jemand will mein ungeborenes Kind töten!“, bemerkte Selim gefährlich ruhig. „Aber du wirst es retten.“ Der Hekim zuckte unbehaglich mit den Schultern. „Es ist unglaublich schwierig, ein Gegenmittel zu finden, wenn man nicht weiß, womit sie vergiftet wurde. Ich bin nicht sicher, ob ich das kann.“
     
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Zypern, die Zitadelle von Famagusta, Juni 1571
     
    Die kleine, wendige Brigg mit den Abgesandten aus Venedig an Bord ging am späten Nachmittag vor Anker. Sie war alleine gesegelt, um nicht die Neugier der Piraten auf sich zu ziehen. An Deck des Schiffes befanden sich Brabantios Bruder Gratiano sowie sein Vetter Lodovico, die es kaum erwarten konnten, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Sie trugen über ein Dutzend Briefe an den Provveditore bei sich – sowohl vom Dogen als auch von mehreren einflussreichen Senatoren. Mit Verwunderung hatten sie festgestellt, dass das Nahen ihres Schiffes von den Einwohnern der Stadt in keinster Weise begrüßt wurde. Doch nachdem sie die Hafenbefestigungen umrundet hatten, schlug ihr Erstaunen in Dankbarkeit um, als sie die Spitzen der osmanischen Kriegszelte erblickten. Wie glücklich sie sich schätzen konnten, nicht die Aufmerksamkeit der unzähligen, todbringenden Batterien am Horizont auf sich gezogen zu haben.
     
    Gratiano, an dessen grauem Bart der starke Wind zerrte, hatte die gefährliche Reise nur widerwillig auf sich genommen. Lediglich eine Andeutung auf den Inhalt der Briefe hatte ihn dazu bewogen, den Überbringer der Nachricht zu mimen, die dem verhassten Moro sicherlich nicht zusagen würde. „Ich frage mich, ob die Neuigkeit vom Tod meines Bruders sie bereits erreicht hat“, bemerkte er kühl und suchte mit den Augen die Küstenlinie nach den Anzeichen eines Empfangskomitees ab. Sein edel geschnittenes Gesicht wurde von dem modisch gezwirbelten Bart halb verborgen, doch Lodovico fielen die tiefen Falten auf, welche die Trauer ihm um den Mund gegraben hatte. „Ich bin mir sehr sicher, dass die Nachricht sie erreicht hat.“ Wenn sich Lodovico richtig erinnerte, war einer seiner eigenen Briefe, der auf demselben Schiff transportiert worden war wie derjenige, auf den Gratiano anspielte, bereits beantwortet worden. „Erwähnt es besser nicht“, riet er seinem Vetter. Er war sich der Bitterkeit des anderen wohl bewusst, empfand aber auch Sympathie für das junge Paar. Ehe Gratiano etwas darauf erwidern konnte, lief ein Ruck

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